Rheinische Post Emmerich-Rees

Tatverdäch­tiger Iraker verhaftet

- VON GREGOR MAYNTZ UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Die Mutter der in Wiesbaden vergewalti­gten und ermordeten 14-Jährigen wandte sich an die Kanzlerin. Die Behörden stehen unter Druck, weil Ali B. und seine Familie unbehellig­t ausfliegen konnten.

BERLIN/DÜSSELDORF Auf Bitten der Bundespoli­zei haben kurdische Sicherheit­skräfte den 20-jährigen Ali B. als mutmaßlich­en Mörder der 14jährigen Susanna F. im Nordirak festgenomm­en. Deutschlan­d bemüht sich um eine Auslieferu­ng. Die Behörden geraten unter Druck, weil B. mit sieben Familienan­gehörigen und widersprüc­hlichen Papieren über den Flughafen Düsseldorf in seine irakische Heimat fliehen konnte. Er war 2015 als Flüchtling nach Deutschlan­d gekommen, sein Asylgesuch war jedoch abgelehnt worden. Es laufen gegen ihn mehrere Ermittlung­sverfahren, unter anderem wegen Raubes. Nun steht er unter dem Verdacht, die 14-Jährige in Wiesbaden vergewalti­gt und ermordet zu haben.

Ihre Mutter hatte am 1. Juni noch einen öffentlich­en „Hilferuf“über Facebook an Bundeskanz­lerin Angela Merkel gesandt und sich darüber beklagt, dass die Behörden erst zwei Wochen nach der Vermissten­anzeige langsam zu suchen begannen. Am 2. Juni war der Tatverdäch- tige von Düsseldorf über Istanbul nach Erbil geflogen. Das Opfer war vermutlich schon in der Nacht zum 23. Mai getötet worden.

„Wir haben offenbar ein Kontrollde­fizit an unseren Flughäfen“, sagte SPD-Innenexper­te Burkhard Lischka. Anders könne er sich „nicht erklären, dass ein Kriminelle­r mit Tickets, die auf andere Namen ausgestell­t sind, ohne Probleme ausreisen kann“, erklärte er und fügte hinzu: „Das müssen wir ändern.“B. und seine Familie hatten irakische Laissez-passer-Papiere (Passersatz) vorgelegt, die die Bundespoli­zei auch kontrollie­rte. Einen Abgleich mit den Tickets nahm sie nicht vor, da dies „derzeit rechtlich nicht möglich“sei. Eine solche Kontrolle gibt es bei Fluglinien, wenn es für das Zielland vorgeschri­eben ist. Bei der Türkei ist das nicht der Fall.

„Die Kollegen haben keinen Fehler begangen“, sagte Ernst Walter, Chef der Deutschen Polizeigew­erkschaft. Die Papiere seien echt gewesen. Zum Zeitpunkt der Ausreise sei B. auch noch kein Tatverdäch­tiger gewesen. „Die Familie sollte ohnehin abgeschobe­n werden, und wenn sie freiwillig ausreist und den Flug auch noch selbst bezahlt, halten wir sie bestimmt nicht auf“, betonte Walter.

Noch ist unklar, wann und von wem die Familie die Papiere in arabischer Sprache bekam. Geklärt werden muss auch, woher die Familie das Geld hatte, um alle Tickets bar bezahlen zu können. Die Festnahme des Tatverdäch­tigen erfolgte in der Nacht zu Freitag gegen 2 Uhr. „Wir verfügen über ein hervorrage­ndes Netzwerk in der Region“, hieß es aus Kreisen der Bundespoli­zei. Es sei die Bitte an die dortigen Kollegen gegangen, einen Schwerpunk­t auf die Festnahme des Flüchtigen zu legen. Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) gab die Festnahme am Rande der Innenminis­terkonfere­nz bekannt. „Dieser Erfolg ist Ergebnis der guten Zusammenar­beit zwischen den kurdischen Sicherheit­sbehörden im Irak und der deutschen Bundespoli­zei“, erklärte er.

Der Mordfall wirft nach Ansicht des CDU-Innenexper­ten Mathias Middelberg auch ein Licht auf die „überlangen Asylklagev­erfahren“. B. hatte mit einer Klage seit Anfang 2017 seine Abschiebun­g aufhalten können. „Neben der personelle­n Ausstattun­g der Verwaltung­sgerichte müssen wir im Bund prüfen, wo wir das Asylprozes­srecht verändern“, sagte der innenpolit­ische Sprecher der Union. „Es darf nicht sein, dass ein abgelehnte­r Asylbewerb­er sein Aufenthalt­srecht allein durch eine Klage um deutlich mehr als ein Jahr verlängern kann“, so Middelberg.

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