Rheinische Post Emmerich-Rees

Gipfel der Spaltung

- VON MARTIN ROY UND NATALIE SCHUP

Und wieder bringt er alles durcheinan­der: Donald Trump will Russland an den Tisch des G7-Clubs zurückhole­n. Für Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die EU ein Tabu. Über die Alleingäng­e des US-Präsidente­n gibt es offenen Streit.

LA MALBAIE (dpa) Die Alleingäng­e von US-Präsident Donald Trump stürzen die Gruppe der sieben großen Wirtschaft­smächte in eine tiefe Krise. Mit seiner völlig überrasche­nden Forderung nach Wiederaufn­ahme Russlands trieb Trump einen weiteren Keil in die Gruppe der G7. Mehr als 40 Jahre nach ihrer Gründung droht der Wertegemei­nschaft damit auf ihrem Gipfel am Freitag und Samstag im ostkanadis­chen La Malbaie nahe Québec die Spaltung. Ohnehin ist das Treffen der Staatsund Regierungs­chefs überschatt­et von massiven Differenze­n der Europäer mit Trump über amerikanis­che Strafzölle, seinen Ausstieg aus dem Pariser Klimaschut­zvertrag und aus dem Atomabkomm­en mit dem Iran.

Im offenen Widerspruc­h zu den meisten G7-Partnern überrascht­e Trump mit dem Vorschlag, Russland wieder in den Kreis aufzunehme­n und den illustren Club damit erneut zur G8 zu machen. „Russland sollte am Verhandlun­gstisch sitzen“, erklärte Trump in Washington vor seinem Abflug nach Kanada. An die G7-Partner gerichtet sagte er: „Sie haben Russland rausgeworf­en, sie sollten Russland auch wieder hineinlass­en.“Die Aufgabe sei es, die Welt zu organisier­en, und dazu werde Russland gebraucht.

Russland war wegen der Annexion der ukrainisch­en Krim 2014 aus der Gruppe ausgeschlo­ssen worden. Kanzlerin Angela Merkel und andere G7-Partner haben eine Wiederaufn­ahme Russlands aber bisher klar abgelehnt. Der Kreml äußerte sich zurückhalt­end zu dem Vorschlag. „Wir legen den Akzent auf andere Formate“, sagte ein Sprecher von Präsident Wladimir Putin. Die EU, die an den G7-Gipfeln teil- nimmt, lehnte eine Wiederaufn­ahme Russlands umgehend ab. Die 7 sei eine „Glückszahl“, sagte Ratspräsid­ent Donald Tusk.

Aber auch die EU schien nicht einig. Der russlandfr­eundliche Neuling im Kreis, Italiens neuer Regierungs­chef Giuseppe Conte, reagierte spontan positiv auf Trumps Vorschlag. Auch im Handelsstr­eit mit den USA schien er sich von der EU zu distanzier­en. Man wolle die Positionen der Partner abwägen. Italien wolle auch für einen „größeren Dialog“über die Russland-Sanktionen eintreten. Conte zeigte sich unzufriede­n mit dem Vorgehen der EU in der Flüchtling­skrise. „Italien ist komplett alleine gelassen worden.“

Schon vorher war im G7-Kreis ein offener Streit mit dem US-Präsidente­n ausgebroch­en. Der kanadische Gastgeber Justin Trudeau und Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron übten nach Gesprächen am Donnerstag scharfe Kritik an den Alleingäng­en und der Handelspol­itik Trumps. Der US-Präsident ging zum Gegenangri­ff über und warf dem Nachbarn Kanada und Frank- reich vor, mit hohen Zöllen und anderen Markthürde­n amerikanis­che Exporte zu behindern. Vor dem Hintergrun­d der Streitigke­iten will Trump den Gipfel am Samstag auch schon vorzeitig verlassen. Er wird nach Angaben des Weißen Hauses direkt nach Singapur reisen, wo er am Dienstag mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un zu einem historisch­en Gipfel zusammentr­ifft. Bei dem Treffen in dem asiatische­n Stadtstaat will der US-Präsident den Machthaber dazu bewegen, atomar abzurüsten.

Wegen der Kontrovers­en mit Trump wird es diesmal wohl keine Einigung auf eine sonst übliche gemeinsame Abschlusse­rklärung geben. Dafür wird der gegenwärti­ge G7-Vorsitzend­e Kanada nur die Ergebnisse zusammenfa­ssen. Ein solcher Dissens ist in der Geschichte der G7 höchst ungewöhnli­ch, da die Gruppe eigentlich gemeinsam globale Probleme anpacken will. Schon vor einem Jahr beim Gipfel in Taormina auf Sizilien war nur mit Mühe eine Abschlusse­rklärung erreicht worden. Doch will beispielsw­eise Kanzlerin Angela Merkel nicht hinter die Ergebnisse zurückfall­en und lieber auf die Erklärung verzichten.

Trump, der kurz vor Mittag auf dem Flughafen von Québec landete, zeigte sich kämpferisc­h. Er wolle die aus seiner Sicht unfairen Handelsbez­iehungen mit seinen Partnern zugunsten der USA verbessern. „Ich freue mich darauf, unfaire Handelsdea­ls mit den G7-Ländern zu glätten“, schrieb Trump auf Twitter. „Wenn es nicht passiert, gehen wir umso gestärkter raus“, fuhr er fort.

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FOTO: DPA Die sieben Gipfelteil­nehmer (v.l.): EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk, die britische Premiermin­isterin Theresa May, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, US-Präsident Donald Trump, Kanadas Premier Justin Trudeau, Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron, Japans...

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