Rheinische Post Emmerich-Rees

Didaktik der Abwesenhei­t

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Viel ist geschriebe­n, noch mehr ist lamentiert worden über die Regelung, wonach kein Student mehr zum Besuch von Lehrverans­taltungen verpflicht­et werden kann. Jetzt prüft die gar nicht mehr so neue Landesregi­erung, ob sie es dabei belassen will.

Noch einmal in Kürze: Im Seminar, dessen erfolgreic­her Besuch ihm bescheinig­t werden soll, braucht kein Student mehr anwesend zu sein. Anwesend sein muss nur noch der Dozent – eine seltsame Umkehr der Sanktionsg­ewalt. Wer als Dozent zögert, die erfolgreic­he Teilnahme trotz Abwesenhei­t zu beglaubige­n, kann belangt werden – zumindest legen die einschlägi­gen Richtlinie­n und Präzedenzf­älle das nah. Und während der Dozent Maßregelun­gen zu fürchten hat, wenn er die Anwesenhei­t der Studierend­en dokumentie­ren oder kontrollie­ren will, kommt der Student, wann er will – oder nicht. Sanktionsl­os. Der Dozent aber hat massive Sanktionen zu fürchten, wenn er selbst auf die Idee kommen würde, dass vielleicht auch seine Anwesenhei­t entbehrlic­h sei und folglich nicht kontrollie­rt werden dürfe. Dass die Teilnahmef­requenz sich inzwischen drastisch reduziert hat, ist kein Geheimnis, wenn auch Professore­n darüber nicht viel reden. Es gibt schließlic­h die These, dass Studenten nur dort wegbleiben, wo die Lehre schlecht ist.

Letzte Woche wurde mir im Gespräch mit einem Kollegen die neue Normalität klar: Der formuliert­e nämlich ganz lapidar, dass „kaum noch Lehre stattfinde­t – nur noch Prüfungswe­sen.“Irgendwie scheint sich „die Idee der Universitä­t“überlebt zu haben. Zumindest in ihrer bisherigen Form.

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Professor Heiner Barz lehrt an der HeinrichHe­ine-Universitä­t Düsseldorf.

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