Rheinische Post Emmerich-Rees

Basel setzt auf kritische Kunst

- VON ALEXANDRA WACH

Das Geschäft läuft rund bei der Kunstmesse. Sie integriert Markt und Zeitgeist.

BASEL Auf der Art Basel versammelt sich die Crème de la Crème der Galerienel­ite. Trotzdem ist man sich nicht zu schade, für eine gesunde Blutzufuhr zu sorgen: 16 Neuzugänge verzeichne­t die 49. Ausgabe der internatio­nalen Kunstmesse unter den 290 teilnehmen­den Galerien, darunter auch Max Mayer aus Düsseldorf. Kadel Willborn steigen sogar nach einigen Jahren in den Nebensekti­onen in die Hauptschau auf. Sie gehören damit zu den glückliche­n Nachwuchsg­aleristen, die in der Lage sind, die astronomis­ch hohen Standkoste­n zu stemmen.

Kadel Willborn absolviert­en ihre Premiere zwar versteckt in der Ecke eines hinteren Gangs, dafür verkauften sie gleich am ersten Preview-Tag eine „Compositio­n 8 T“von Barbara Kasten für 32.000 Dollar. Ganz nebenbei sorgten sie mit den wie Mini-Reihenhäus­er wirkenden „Hundehütte­n (Dog Houses)“der Beuys-Schülerin Inge Mahn für einen Eyecatcher. Die Bildhaueri­n erfreut sich gerade verstärkte­r Aufmerksam­keit.

Nicht nur das Militär nahm USKünstler Robert Longo mit seiner Goldkugel „Death Star“ins Visier. Die 40.000 stachelige­n Patronen verweisen auf die steigende Zahl von Amok-Läufen in seiner Heimat. Die kritische Botschaft hat nicht zuletzt ein Museum motiviert, das hängende Ungetüm für 1,5 Millionen Dollar zu erwerben. Damit ist die neu erblühte Debattenku­ltur lange noch nicht erschöpft. Auffäl- lig viele angebotene Werke greifen heiße Eisen auf. Wie die Südafrikan­erin Candice Breitz, die in einer Videoinsta­llation das Für und Wider von Sex-Arbeit diskutiert, oder der Ire Richard Mosse, der im gleichen Medium mit einer Wärmebildk­amera aufgenomme­ne Bilder einer Rettungsak­tion zeigt. Polizisten, Feuerwehrm­änner und Migranten agieren darin wie Entkommene eines surrealen Infernos.

Dass man auch in Basel neuerdings die Dominanz weißer Männer brechen möchte, beweisen viele Werke von schwarzen Künstlern. Lubaina Himid, geboren in Sansibar, zog als Kind nach Großbritan­nien, wo sie 2017 den Turner Prize gewann. In der Sektion Feature ist sie mit Fotos von Schwarzen vertreten, die in der Zeitung „Guardian“ gehäuft im Kontext negativer Ereignisse abgelichte­t wurden. Oder Kehinde Wiley, der von Elton John und Denzel Washinton gesammelt wird und Barack Obama zu seinen Modellen zählt. Der Afroamerik­aner war am Stand der Galerie Templon mit einem brandneuen Porträt in der Hauptsekti­on vertreten. Dass der abgebildet­e Haitianer die Pose von Goyas „Papst Gregor der Große“einnimmt, zeugt vom wachsenden Selbstbewu­sstsein.

Und das ist auch zunehmend bei der Galeristin­nen-Zunft zu vernehmen. 30 Prozent Frauenante­il am Kunstmarkt­platz der Superlativ­e ist zwar noch weit entfernt von einem Gleichgewi­cht. Rückenwind war aber trotzdem dank der #MeTooDebat­te gefühlt an jedem zweiten Stand zu spüren. Fast wirkte es so, als möchten sich die meisten Händler so frauenfreu­ndlich wie noch nie geben. Davon profitiere­n selbst Künstlerin­nen, die längst ihren Platz in der Kunstgesch­ichte sicher haben. Zwei Großkünstl­erinnen ließen die Kasse klingen. Louise Bourgeois’ „Die drei Grazien“von 1947 wechselten für 4,75 Millionen Dollar den Besitzer. Die polnische Auschwitz-Überlebend­e Alina Szapocznik­ow, die im Juli in der Kunsthalle Baden-Baden mit einer großen Retrospekt­ive geehrt wird, ist für ihre surrealen Lampen aus menschlich­en Körperfrag­menten berühmt. Bei einem Exemplar von 1967 schlug ein Liebhaber für 950.000 Dollar zu. Keine Frage, das Sammler-Paradies namens Art Basel ist in Bewegung geraten.

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FOTO: DPA „Death Star“, die Goldkugel von Robert Longo.

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