Lust und Frust beim Fußballspiel gegen Mexiko
Wenn es nach Werner Schulte geht, ist die Weltmeisterschaft für die deutschen National-Kicker schon jetzt gelaufen. „Wenn sie gegen Mexiko verlieren, können sie direkt nach Hause fahren“, sagte der 81jährige Senior wenige Minuten vor Beginn des ersten WM-Spiels der DFB-Elf. Zusammen mit rund 50 anderen Fußball-Interessierten verfolgte er beim Public Viewing im Gemeindezentrum der evangelischen Kirche am Lauerhaas gebannt die Übertragung. Genau eine Stunde vor dem Anpfiff dribbelte Pfarrer Albrecht Holthuis gemeinsam mit Kirchenhelfer Klaus Bauer mit einem bunten Ball durch den Mittelgang der Kirche Richtung Altar. Wie ein roter Faden zog sich das Thema Fußball durch diesen Spätschicht-Gottesdienst – moderne Kirche der völlig anderen Art. Einige Fans saßen bereits geschminkt, mit Deutschland-Trikots sowie mit schwarz-rot-goldenen Fahnen im Haar in den Kirchenbänken. „Jesus war auch eine Art Trainer, der seine Jünger mit Teamgeist zusammengeführt hat“, verkündete der „fußballverrückte“Pastor. Er hatte BibelTexte aus dem Jesaja-Buch heraus- gesucht, die auffällige Parallelen zur Hymne des FC Liverpool „You’ll never walk alone“zeigten. Holthuis nutzte die Sportsprache auch bei der Formulierung seiner Fürbitten: „Herr, wir bitten dich, dass alle, die ins Abseits gedrängt sind, wieder ins Spiel des Lebens zurückfinden. Gib denen, die nur auf der Reservebank sitzen, eine Chance.“Als Holthuis dann in der Kirche von den rund 20 Konfirmanden wissen wollte, wie denn die Tipps für den WM-Auftakt der Deutschen ste- hen, war die Tendenz eindeutig – nur ein einziger Jugendlicher setzte auf Mexiko. Im Gemeindehaus mischte sich der Geistliche dann unter die FußballFans. Nach knapp einer halben Stunde und den ersten vergebenen Möglichkeiten der DFB-Elf befand der Pastor: „Wird jetzt langsein Zeit für ein Tor.“Und siehe da: Nur Minuten später fiel tatsächlich eins. Nur auf der falschen Seite... In der Halbzeitpause sahen sich die Besucher verwundert an. Manche dachten wohl, sie wären im falschen Film. Eine davon war Helga Benninghoff: Die 61-jährige Gemeinde- helferin hatte sich extra schwarzrot-gold dekortiert – sogar Ohrstecker in den Nationalfarben ausgewählt. „Das hätte ich nie gedacht. Im Moment habe ich richtig Herzrasen“, gestand sie. Benninghoff hatte 3:0 für Jogis Jungs getippt – und dann das. Doch die 61-Jährige hatte noch Hoffnung: „Ich denke, die Spieler bekommen in der Pause jetzt einen Einlauf und drehen das Spiel noch auf 3:1.“Doch nichts wurde es mit drei Toren für Deutschland nach dem Seiten- wechsel. Im Minutentakt rauften sich die Besucher im Gemeindezentrum die Haare, fieberten mit und schrien ihre Verzweiflung heraus. Sie litten mit, sie hofften noch auf den Ausgleich – doch es half alles nichts. „Der Tag ist gelaufen“, schimpfte Helga Benninghoff unmittelbar nach dem Schlusspfiff. Und auch Werner Schulte hatte keine Erklärung für den Fehlstart: „Ich bin platt – mir fehlen die Worte!“Aber wie hatte Pfarrer Albrecht Holthuis kurz zuvor im Gottesdienst noch verkündet: „Der Fußball lehrt uns, dass es immer weitergeht – auch bei Niederlagen.“jok Darüber sollten wir mal berichten? Sagen Sie es uns!
IHR THEMA?