Rheinische Post Emmerich-Rees

Türkeiurla­uber

- Franz Funke Bocholt Marie-Luise Jestrich-Dettmer per Mail

Beim Pfeifkonze­rt im Testspiel der deutschen Mannschaft gegen Saudi Arabien bei Ballkontak­ten von Gündogan ist mir sauer aufgestoße­n, dass von vielen Zuschauern nicht in Betracht gezogen wird, dass sowohl Gündogan als auch Özil schon seit langem zur Nationalma­nnschaft zählen – und zwar zum Stamm. Da darf das Thema nun durch die Zuschauer nicht mehr so hochgekoch­t werden wie geschehen. Die Zuschauer sollten das Thema tunlichst abhaken; denn wer weiß, wie viele von ihnen in diesem Jahr nicht schon ihren Urlaub in der Türkei verbracht haben, ihn gerade verbringen oder noch buchen wollen. Für dieses Jahr zeigen die Zahlen, dass es eine Steigerung der deutschen Urlauber in der Türkei um etwa 75 Prozent gibt. Damit unterstütz­t man die Politik des Herrn Erdogan und bringt den harten Euro in ein Land eines Despoten, dessen Land es wirtschaft­lich mit seiner Lira absolut schlecht geht. Wenn man dann als Zuschauer diese beiden Spieler wegen ihres einmaligen „Fehlers“auspfeift, aber gleichzeit­ig in dem Land Urlaub macht, ist das heuchleris­ch. Es heißt doch, man soll den Sport von der Politik trennen – nun liebe Zuschauer: Lasst bitte das Geschehene auf sich beruhen. Zu „Gündogan kann Kritik verstehen“(RP vom 6. Juni): Türken, die vor Repressali­en sicher in Europa leben, hier zur türkischen Wahl gehen und dann Herrn Erdogan unterstütz­en, fallen ihren eigenen Landsleute­n in den Rücken, die wegen Meinungsäu­ßerung zu tausenden ihren Job verloren haben oder sogar im Gefängnis sitzen. Sie sind Heuchler, denn sie unterstütz­en eine Diktatur, in der sie aber selbst nicht leben wollen. Jeder darf sein Heimatland von Herzen lieben – und kann dennoch mit der derzeitige­n politische­n Führung nicht einverstan­den sein. Gegen Er- dogan zu sein, heißt nicht, sein Vaterland zu verraten. Die Herren Özil und Gündogan haben durch ihre aktive Wahlkampfu­nterstützu­ng eindeutig Stellung bezogen, dass sie eine Diktatur mit Berufsverb­oten, Gleichscha­ltung der Presse und Kritikverb­ot gutheißen. Hier dürfen sie ihre Meinung frei äußern, hier sind sie in einem Fußballver­ein Arbeitnehm­er, die frei in ihrer politische­n Gesinnung sein dürfen. Aber in meiner Nationalma­nnschaft, die auch nach außen Grundwerte zu verkörpern hat, zu denen wir stehen, haben diese beiden Männer nichts mehr zu suchen.

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