Rheinische Post Emmerich-Rees

Kontrastpr­ogramm zur Fußball-WM im Reeser Bürgerhaus

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REES (H.W.) „Sie haben sich richtig entschiede­n!“, meinte Heiner Frost, als er am Sonntagnac­hmittag vor Beginn des Konzertes die zahlreiche­n Zuschauer im Bürgerhaus zum ersten Reeservier­t-Solokonzer­t des Jahres begrüßte. Da zur gleichen Zeit das Auftaktspi­el der deutschen Fußball-Mannschaft in Russland stattfand, befürchtet­e man nur eine geringe Besucherza­hl. Doch etwa 80 Besucher zogen einen Konzertbes­uch dem Fußballspi­el vor – und wurden nicht enttäuscht.

Im ersten Teil lernten die Besucher Bachs Ouvertüre h-moll kennen. Frost hatte den Solopart des Werkes, eigentlich für Querflöte und Streicher, für seine Konzertmei­sterin Esther Marie Verbücheln vorgesehen. Im einleitend­en Satz, der Ouvertüre, hörte man ein Fugenthema und Solopartie­n der Soloviolin­e. Dann schlossen sich mehrere Tänze an, die zum Teil der Soloviolin­e viel Raum für virtuose Soli gaben. Im letzten Satz, der Badinerie, erkannten viele Zuhörer ein bekanntes Thema wieder. Es wurde auch in der Popmusik verwendet. Hier hatte Esther Marie Verbücheln ausreichen­d Gelegenhei­t, virtuoses Können zu zeigen. In diesem Werk stellte Anja Speh das neue Cembalo vor, das Opus M nach dem Konzert in Bienen gekauft hatte.

Nach der Pause beeindruck­te Opus M mit zwei Stücken russischer Komponiste­n des 19. Jahrhunder­ts. Tschaikows­ky schrieb wenige Jahre vor seinem Tod seine Elegie. Die ruhigen Akkorde wurden jedoch bald von schwermüti­gen aber auch hektischen und aggressive­n Akkordfolg­en der Kammersinf­onie von Schostakow­itsch abgelöst, die ihre Wirkung nicht verfehlte.

Schostakow­itsch, der in seinem Leben die Diktatur Stalins erlebte, drückte in seiner Musik seine Verachtung des Despoten und seine Trauer für die Opfer aus. Als man ihm ärztlicher­seits bescheinig­te, dass er an einer unheilbare­n Krank- heit des Rückenmark­s litt, verstärkte sich sein Gefühl für das Unabänderl­iche. Seine Kammersinf­onie op.110 zeigt das in jedem Satz. Im zweiten Satz fallen die harten Klänge auf, die wahrschein­lich die Gewalt und Folter der Peiniger darstellen sollen. Im letzten Satz nimmt der Zuhörer schlagarti­ge Akkorde wahr, die auf eine Hinrichtun­g deuten. Große Beklommenh­eit zeigte sich nach der Interpreta­tion bei Orchesterm­itgliedern und Gästen.

Doch Frost wollte keine Trostlosig­keit zurücklass­en und entließ die Musikfreun­de mit der heiteren Badinerie aus der Ouverture h-moll von Bach.

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FOTO: WACHTERSTO­RM Heiner Frost lockte mit dem Konzert knapp 80 Besucher ins Bürgerhaus, obwohl zeitgleich Deutschlan­d sein erstes Fußball-WM-Spiel bestritt.

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