Schiri-Mangel könnte teuer werden
Der Handball-Verband Niederrhein erhöht den Druck. Falls ein Verein in Zukunft zu wenige Unparteiische meldet, könnte das zu Punktabzügen im Meisterschaftsbetrieb führen. Die hiesigen Clubs halten wenig von der Maßnahme.
NIEDERRHEIN Alle Handball-Vereine müssen sich ab der kommenden Saison auf eine wichtige Neuerung einstellen. Es geht um die Erfüllung des Schiedsrichter-Kontingents, das die Durchführungen der einzelnen Spielzeiten in allen Ligen erst ermöglicht. Klingt auf den ersten Blick nicht gerade spannend. Doch bei genauerer Betrachtung drohen bei Nichterfüllung der Schiedsrichterverordnung vom 29. November 2014, ausgearbeitet vom Deutschen Handball-Bund (DHB) inklusive den Zusatzbestimmungen und er-
Jürgen Hüttemann gänzenden Bestimmungen des Handball-Verbandes Niederrhein (HVN) vom 12. September 2017 empfindliche Sanktionen. Geldstrafen sind bereits seit längerem ein übliches Druckmittel. Die Summen werden mit Beginn der kommenden Saison schon erhöht. Ab der Spielzeit 2019/20 wird es dann aber sogar Punktabzüge geben.
Der Grund des Handelns liegt klar auf der Hand. Der Handball-Sport hat ein großes Problem, genügend Schiedsrichter zu finden. Es mangelt ständig an potenziellen Kandidaten – ob beim Nachwuchs oder bei Quereeinsteigern, wie beispielsweise ehemaligen Spielern, die ihre Karrieren beendet haben.
Das Defizit an Unparteiischen ist in den oberen Ligen bisher noch nicht so offensichtlich geworden. Aber je mehr der Blick in Richtung Basis oder Kreisverbände geht, um so deutlicher fallen die Missstände auf. Die Zahl der Einzelschiedsrichter in den Spielen wächst rapide an. Die vorhandenen Gespanne – zwei Schiris pro Spiel sind optimal – pfeifen pro Wochenende manchmal sogar bis zu drei Begegnungen. Der Verband möchte künftig die Vereine mehr in die Pflicht nehmen und zieht daher die Daumenschrauben mächtig an.
Nach den erhöhten Geldstrafen folgen im schlimmsten Fall Punktabzüge. Der Verband wird Verstöße oder Nichterfüllungen der am Spielbetrieb teilnehmenden Vereine bestrafen. Für Vereine, die das geforderte Schiedsrichter-Soll nicht erfüllen, gibt es beim HVN nun folgende Sanktionen: Im ersten Jahr der Nichterfüllung des Solls erfolgt eine Geldstrafe von 150 Euro je fehlendem Schiedsrichter.
Im zweiten Jahr der Nichterfüllung erfolgt eine Geldstrafe von 150 Euro je fehlendem Unparteiischen. Zusätzlich wird die höchstspielende Seniorenmannschaft des Vereines mit einem Abzug von einem Punkt in der Meisterschaftsrunde bestraft. Der Abzug erfolgt zur darauffolgen- den Saison. Ab dem dritten Jahr der Nichterfüllung des Solls erfolgt eine Geldstrafe von 150 Euro je fehlendem Schiedsrichter. Zusätzlich wird die höchstspielende Seniorenmannschaft des Vereins mit einem Abzug von einem Punkt je fehlendem Schiedsrichter, maximal jedoch drei Punkten, in der folgenden Meisterschaftsrunde bestraft.
Sofern die höchstspielende Männer- und Frauenmannschaft eines Clubs in der gleichen Liga auflaufen, kann in beiden Fällen von Punktabzügen der Verein frei wählen, welche Mannschaft es erwischt. Eine Aufteilung der Punktabzüge auf verschiedene Teams ist nicht möglich.
Vereine, die das SchiedsrichterSoll nicht erfüllt haben, werden über die Handballkreise hinsichtlich der Bestrafung informiert. Stichtag ist immer der 30. Juni eines jeden Jahres. Eine komplette Saison ohne Schiedsrichter-Fehlbestand führt dazu, dass eine folgende Spielzeit mit Unterschreitung des Solls wieder als erstes Jahr der Nichterfüllung gerechnet wird.
Der DHB hat den Regional- und Landesverbänden in seiner Verordnung von 2014 übrigens zum Teil freie Hand beim Strafenkatalog und dem geforderten Soll gewährt. So kam heraus, dass beispielsweise in Sachsen im ersten Jahr 100 Euro und 200 Euro im Jahr darauf fällig werden. 200 und 400 Euro sind es in Hessen, 800 Euro im dritten Jahr. Selbstverständlich jeweils plus Punktabzug ab dem zweiten Jahr.
Als weitere Möglichkeit hat der DHB damals auch die Nichtzulassung von Mannschaften am Spielbetrieb eingeräumt.
Auch in den hiesigen Clubs ist die Anzahl der Schiedsrichter überschaubar. Der SV Schermbeck stellt aktuell nur drei Unparteiische. „Ich weiß jetzt gar nicht genau, wie viele wir im Moment bräuchten, aber wir haben auf jeden Fall deutlich zu wenig“, sagt Jürgen Hüttemann, der seit 1977 selbst Referee und beim SVS für die Unparteiischen zuständig ist. Den Mangel sieht auch Hüttemann als großes Problem an. Die Maßnahmen des Verbandes findet er trotzdem nicht zielführend: „Das bringt uns nicht mehr Schiedsrichter und wird am Ende wohl eher dazu führen, dass die Vereine Mannschaften abmelden. Die Maßnahmen schaden also dem Handball insgesamt.“Der Druck von oben mache vor allem keinen Sinn, „weil es nichts bringt, wenn dann Leute rekrutiert werden, die überhaupt nicht mit dem Herzen dabei sind“. Der langjährige Schiedsrichter hofft immer noch, junge Leute zu finden, die sich aus freien Stücken den Job an der Pfeife zur Aufgabe machen wollen: „Die Aufstiegschancen sind für junge Schiedsrichter enorm. Da kann es verhältnismäßig schnell weit nach oben gehen.“
Für Michael Hillig, Geschäftsführer bei der HSG Wesel, ist der Schiedsrichtermangel ein Problem, „das fast nicht zu lösen“ist. „Es ist halt auch einfach unheimlich schwer, wenn der Nachwuchs selbst aktiv spielt und dann auch noch am Wochenende pfeifen muss. Oft haben die ja noch gar keinen Führerschein und brauchen dann auch noch einen Fahrer“, sagt er.
Die Maßnahme Punktabzug findet Hillig auf jeden Fall nicht angemessen: „Das kann einen Verein ja am Ende sogar in seiner sportlichen Existenz bedrohen.“Für den langjährigen Torwart der HSG macht es eher Sinn, über Anreize neue Schiris zu gewinnen. „An der Vergütung wurde in den vergangenen Jahren ja schon etwas getan, aber das wäre vielleicht ein Ansatz“, sagt Hillig. Sein Verein mache sich aktuell keine großen Sorgen. Die HSG hat zwar auch nicht viele Unparteiische, muss aber auch derzeit nicht mehr stellen.
„Die Aufstiegschancen sind für junge Schiedsrichter enorm. Es kann verhältnismäßig schnell weit nach oben gehen“