Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg
Der 91-jährige Weseler Martin Mischner hat viel zu erzählen über seine Zeit als Soldat.
WESEL (pac) Als Martin Mischner am 28. März 1945 als Soldat in den Krieg zog, wusste er nicht, ob er jemals wieder gesund nach Hause kommen wird. Doch nicht einmal knapp einen Monat später geriet er in britische Gefangenschaft und konnte sich dort als Lagerdolmetscher in die Zukunft retten. Heute ist der Weseler 91 Jahre alt und erzählt von seinen Erfahrungen als junger Mann in einer Welt, die schon lange Geschichte ist.
Mischner kommt eigentlich aus Leipzig, in der ostdeutschen Großstadt wurde er am 21. März 1927 geboren. Eine Teilung Deutschlands in Ost und West gab es da noch gar nicht. Auch der Nationalsozialismus war zu dieser Zeit noch weit weg: Die Weimarer Republik befand sich noch in relativ stabilen Jahren, bevor dann zwei Jahre später mit dem Börsen-Crash in New York der wirtschaftliche Zusammenbruch kam und langfristig das Ende der Weimarer Republik einläutete. Als die Nationalsozialisten die Novemberpogrome zum Startpunkt ihrer Vernichtungspolitik machten, war Mischner ein junger Schüler in Leipzig – die Mutter war Bibelforscherin, Zeugin Jehovas und selbst von den Nazis bedroht.
Als junger Mann war Mischner erst Teil der Reserve in Riesa. Als der Krieg schon so gut wie verloren war und die Gegner der deutschen Wehrmacht immer weiter vorrückten, wurde Mischner Mitglied im Pionierbataillon der Wehrmacht und in Nienburg, in Niedersachsen, stationiert. Als die Alliierten immer näher rückten, wurden die Soldaten angehalten, die Brücke, die über die Weser führte, zu zerbomben, damit die Briten den Fluss nicht überqueren konnten. „Wir wurden alle zwei Stunden abgelöst.“Zwei Handgranaten steckten in seinem Gürtel. „Die Maschinenpistole über der Schulter und den Stahlhelm auf, so standen wir auf Posten“, schreibt er im März 1945 ins Tagebuch.
Nachdem die ersten Jagdbomber der britischen Armee am Himmel auftauchten, zog sich das Bataillon zurück. Viele Soldaten konnten sich durch die Flucht in einen nahegelegenen Wald retten. Beim Rückzug durch die Lüneburger Heide wurden die Soldaten dann von den „Tommys“erwischt und mit einem Lastwagen ins erste Sammellager gebracht.
Die erste Ration Lebensmittel bestand aus einem Paket Keksen, Corned Beef und Tee. Mischner erzählt: „Für uns sah das aus wir Kakao, wir haben ja noch nie englischen Tee getrunken.“Schließlich hatten sie ein paar Tage vorher noch rohe Kräheneier ausgetrunken, weil sie fürchterlichen Hunger hatten. Da Martin Mischner sofort bei der Gefangennahme angab, über gute Englischkenntnisse zu verfügen, wurde er zum Dolmetscher gemacht und konnte auf wenige Privilegien hoffen, als die Gefangenen ins nächste Lager nach Vilvoorde (Belgien) verlegt wurden.
Auf Äckern und Feldern wurden tiefe Gräben ausgehoben, in denen die Zelte der Gefangenen standen. Mischner konnte es sich erlauben zu intervenieren, wenn es mal zu Auseinandersetzungen kam: „Ich weiß noch, da wurde Suppe ausgeschenkt und der Hilfskoch war ungemütlich. Wenn jemand nicht schnell genug seine Schüssel oder die Hände hingehalten hat, hat der Hilfskoch die Kelle auf den Kopf des Gefangenen geschlagen. Da wurde ich richtig böse mit ihm.“
Doch der Weseler umging die Prügelei und meldete die Schikane seinem Vorgesetzten. Der Hilfskoch wurde strafversetzt. Mischner hatte eine eigene Teeküche in dem Lager und freundete sich mit den britischen Soldaten an. Als er ein gutes halbes Jahr später entlassen wurde, der 18. Juli 1946 war das, wollte er erst einmal seine Familie in Ostdeutschland aufsuchen. Da mit der Gründung der DDR wieder ein totalitäres System entstand und Mischner auch dort mehrfach in Haft war, nutzte er im Jahr 1953 die Chance zur Flucht und kam nach Wesel.