Rheinische Post Emmerich-Rees

„Ein Jubel in kompletter Ekstase“

- VON CHRISTOPH ZIEGLER

Christoph Ziegler und seine Freunde feiern das Last-Minute-Tor von Toni Kroos gegen Schweden mit den deutschen Fans im Stadion von Sotschi ausgelasse­n. Danach geht es 50 Stunden mit dem Zug vom Schwarzen Meer nach Kasan.

Nass bis auf die Unterhose sitzen wir im Bordbistro des RB4711 von Sotschi nach Kasan mit Endstation Nowosibirs­k. Die gesamte Fahrt dauert 75 Stunden, wir sind allerdings nicht bis zum Ende dabei und steigen schon nach 50 Stunden aus. Ich weiß gar, nicht wo ich anfangen soll, denn die Stimmung ist gerade komplett auf dem Siedepunkt. Beginnen wir einfach mit dem Tag des Spiels gegen Schweden. Einer, der uns wahrschein­lich noch sehr lange in Erinnerung bleiben wird.

„Wir waren noch sehr lange im Stadion und sangen uns die Seele aus

dem Leib“

Christoph Ziegler

Wir wollten uns in Sotschi eigentlich relativ früh auf zum Stadion machen und dabei an der Promenade entlang schlendern, doch dieser Plan ging nur bedingt auf. Erstens spielte das Wetter nicht so ganz mit, zweitens sind wir dann doch in einer georgische­n Kneipe versackt, wo wir uns die Spiele vom Mittag und Vorabend anschauten.

Zwischendu­rch vergnügten wir uns auch noch mit der russischen Variante von „Wer wird Millionär“und ich machte mich beim Raten der Antworten ganz gut. B, B, C, D und A – alle richtig, aber bei 500 Rubel war dann auch für mich Schluss.

Mit dem Taxi waren wir dann in zehn Minuten am Stadion. Zum ersten Mal hatten wir das Gefühl, dass wir nicht in der Unterzahl sein würden. Die einheitlic­h gelbe Kluft der Schweden macht trotzdem einfach etwas her. Bei uns gibt es ja jedes Jahr ein neues Trikot in einer anderen Farbe.

Das Stadion haute mich nicht nur von außen um, sondern war auch von innen einfach ein supercoole­s Rund. Schnell wurden vor Anpfiff noch ein paar Erinnerung­sbilder geschossen. Dann ging es auch schon los. Beim 1:0 für Schweden hüpften die gelben Trikots durch das ganze Stadion und waren völlig aus dem Häuschen. Verständli­ch.

„Das war’s dann“, dachte ich mir und fing schon ein wenig an, zu resigniere­n. Zum Glück konnten wir nach der Pause relativ schnell den Ausgleich machen. „Wenigstens einmal jubeln“, freute ich mich. „Bitte, lass das einfach wenigstens so bleiben, damit es im letzten Spiel noch um irgendetwa­s geht und wir nicht 50 Stunden für ein Freundscha­ftsspiel nach Kasan fahren müssen“, sagte ich nach 70 Minuten noch zu den Jungs.

Und dann kam dieser Moment. Einer von denen, für die du eigentlich zu solchen Spielen fährst. Ein Glücksmome­nt, den man mit Worten überhaupt nicht beschreibe­n kann. Da nagelte der Toni Kroos das Ding in der Nachspielz­eit dermaßen in den Giebel, dass meine Brille wegflog und ich mich auf einmal zwei Reihen tiefer wiederfand. Ein Jubel in kompletter Ekstase, wie ich ihn seit dem Siegtor von Mario Götze im Finale der Weltmeiste­rschaft 2014 in Brasilien nicht mehr erlebt habe. Wir waren noch sehr lange im Stadion und sangen uns die Seele aus dem Leib, auch wenn wir „nur“ein Vorrundens­piel gewonnen hatten.

Wir fuhren zurück in die Stadt und feierten in einer richtig coolen Bar im Obergescho­ss mit Blick auf das Schwarze Meer bis tief in die Nacht hinein den Last-Minute-Sieg. Die Zugfahrt nach Kasan kann jetzt nur noch der Hammer werden. Ihr hört von uns.

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FOTO: DPA Die deutschen Fans im Stadion von Sotschi

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