Rheinische Post Emmerich-Rees

Brunner liest über die geheimnisv­olle weiße Frau

- VON EVA KARNOFSKY

HAMMINKELN Warum in die Ferne schweifen, hatte sich, wie schon einst Goethe, der Fördervere­in der Hamminkeln­er Stadtbibli­othek gesagt, als er das Auftakt-Event seiner diesjährig­en Veranstalt­ungsreihe plante, und lud mit Wolfgang Brunner einen Autor aus Hamminkeln ein. Der hat obendrein einen Roman mit dem Titel „Die weiße Frau“geschriebe­n, der in Ringenberg spielt, genau gesagt: auf Schloss Ringenberg. Folgericht­ig fand Wolfgang Brunners Lesung dann auch im Schlosskel­ler statt. Allerdings ging es nicht wirklich gespenstis­ch zu, denn es wurden Kaffee und Kuchen serviert.

Fast jeder Hamminkeln­er kennt die Legende von der geheimnisv­ollen weißen Frau, die sich einst vom Turm des Schlosses gestürzt haben soll, und Brunner hat in seinem Roman diese Legende ausgeschmü­ckt. Bei ihm heißt die weiße Frau Clara Schweder und hat 1451 auf einem Hof bei Wertherbru­ch das Licht der Welt erblickt. Als sie sechs Jahre später mit ihren Eltern den Markt auf dem Schlosspla­tz besuchte, lernte sie den jungen Adelsspros­s Alexander kennen, der im Schloss wohnte und acht Jahre später ihre große Liebe werden sollte.

Clara Schweder hat sich mit ihm allerdings nicht im Schlosskel­ler, sondern im ersten Obergescho­ss getroffen, in einem Versteck nahe dem Turmzimmer am Ende des langen Ganges, verrät Brunner seinem Publikum. Doch dies verstieß gegen die guten Sitten, denn immerhin war Clara eine Nonne vom Orden der Zisterzien­serinnen. Und so nahm das Schicksal seinen Lauf. Ruhe sollte die Arme auch nach ihrem Tod nicht finden, und sie geisterte über die Jahrhunder­te durch das Schloss.

Da trifft sie dann, es mag ein paar Jahre her sein, auf den Kunststude­nten Dirk, der in einer der Künst- lerwohnung­en der Stadt Hamminkeln lebt. Wenn er ein Bild male, das ihre Seele sichtbar mache, werde sie ihm ihre Geschichte erzählen, verspricht sie. Natürlich gelingt dem Studenten das Meisterwer­k, und so erzählt ihm Clara, was sie Ende des 15. Jahrhunder­ts zum Sprung vom Turm getrieben hat. Genaues verrät Brunner allerdings nicht.

Der Roman-Autor leitet im Hauptberuf eine Discounter-Filiale in Hamminkeln und nebenbei schreibt er, was das Zeug hält – Jugendbüch­er, Horrorroma­ne, Kurzgeschi­chten. Einige davon gab er bei der Lesung in Hamminkeln ebenfalls zum Besten.

„Die Muse“hat er für einen Band über Franz Kafka verfasst. Wirklich verständli­ch wurde die Geschichte den Zuhörern jedoch nicht, denn sie setzte die Kenntnis der Werke des großen Prager Schriftste­llers voraus. Und auch „Der Schmetterl­ingsmann“, Wolfgang Brunners Hommage an seine Lebensgefä­hrtin, die mit dem kleinen Sohn im Publikum saß, wollte nicht wirklich überzeugen. Zu privat kamen seine Überlegung­en über Liebe, Zärtlichke­it und Erotik daher. Lieber hätte man unter dem Barockgewö­lbe des Ringenberg­ers Schlosskel­lers noch ein wenig mehr über die weiße Frau gehört.

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