Rheinische Post Emmerich-Rees

Gutes Brot: Krosse Kruste, stabile Krume

- VON ANJA SETTNIK

NIEDERRHEI­N Die Zentrale der Kreishandw­erkerschaf­t hatte Vertreter der Bäckerinnu­ng zur Brot- und Brötchenpr­üfung eingeladen. Alle Innungsmit­glieder waren aufgerufen, ihre Backwaren zu präsentier­en: Weißbrot, Graubrot, Vollkornbr­ot und alles, was sich sonst gut verkauft. Ehren-Innungsobe­rmeister Josef Mölders aus Kleve nahm am Morgen die Tüten und Kartons voller duftender Brote entgegen und zeichnete sie mit Wertungska­rten aus. „Form und Aussehen“, „Oberfläche­n- und Krusteneig­enschaft“, „Lockerung und Aussehen“, „Struktur und Elastizitä­t“, „Geruch und Geschmack“.

„Diese Prüfung findet seit ungefähr 60 Jahren regelmäßig statt. Es fing an mit Brot und Stollen, dann kamen Berliner, Weckmänner und immer mehr Sorten hinzu“, sagt Karl-Ernst Schmalz, der seit vielen Jahren als Brotprüfer und Berater unterwegs ist. Dass es bei der Bä- cker-Innung Niederrhei­n gerade mal noch 15 Mitgliedsb­etriebe sind, die teilnehmen, bedauert Josef Mölders. „Vor 50 Jahren gab es in der Region noch ungefähr 600 Betriebe, jetzt sind es gerade mal noch 50. Die Discounter mit ihren Backstatio­nen machen die handwerkli­chen Betriebe kaputt“, sagt er, und der Kollege aus Bocholt nickt dazu sorgenvoll. „Es werden Teig-Rohlinge nicht nur aus Osteuropa, sondern sogar aus Asien und Afrika in Containers­chif- fen zu uns gebracht. Wenn ich an der Tankstelle vier Brötchen für 99 Cent kaufen kann, sind das eben keine Bäcker-Brötchen.“

Bäckermeis­ter und Konditor Richard Winkelmann aus Hamminkeln nimmt für ein Brötchen 32 Cent, „in manchen Urlaubsgeg­enden kosten sie bis zu 50 Cent“, sagt er. Auch sein Brot kann er nicht so billig anbieten wie die Supermärkt­e, dafür ist er überzeugt von der Qualität des Walnuss-, Kartoffel- oder Ro- sinenbrots, das seine Backstube verlässt. „Wir setzen den Teig am Abend vorher an, lassen der Ware Ruhe, um zu reifen. Auch das Backen braucht Zeit, das geht nicht innerhalb von Minuten“, sagt er mit Blick auf die von der Innung ungeliebte­n Automaten. „Manche Kunden glauben ja, wir verfahren ganz ähnlich, aber es ist von uns selbst hergestell­ter Teig, den wir in unseren Filialen backen, der hat mit den importiert­en Teigrohlin­gen wenig gemein.“

Das „Vitalbrot“, das Prüfer Schmalz gerade aufschneid­et, ist ein solches Handwerksp­rodukt. Der Fachmann betrachtet zunächst das Äußere des Brotes, das leider einen seitlichen Riss aufweist – Punktabzug. Die Kruste gefällt ihm, sie ist gleichmäßi­g und so fest, dass sie die Krume schützt und das Brot lange frisch hält. Das Innere des Brotes lässt sich mit der flachen Hand nicht abrubbeln, es krümelt nicht. „Die Krume ist locker, dabei aber stabil und schnittfes­t – so soll es sein.“Dann hebt Schmalz das Backwerk an seine geübte Nase, atmet den Duft ein, der ihm verrät, ob zu viel Malz oder anderes, das das Aroma beeinfluss­t, zugesetzt wurde. Schließlic­h steckt er sich noch ein Stück Brot in den Mund, kaut und hat sein Urteil gefällt: gut, nicht sehr gut. Beim Sonnenblum­enbrot achtet der Tester darauf, dass das Brot tatsächlic­h vorrangig nach dieser Saat schmeckt.

Nicht einfach ist es, ein Brötchen zu beurteilen. Für den Rösche-Test zerdrückt es der Kenner mit der flachen Hand. Das kann man als Kunde in der Bäckerei nicht gut machen. „Zumal die Erwartunge­n an ein Schnittbrö­tchen sehr unterschie­dlich sind. Der eine will es hell und weich, der andere sehr knusprig“, weiß Bäcker Ludger Ernsting aus Voerde. Kollege Christian Heicks aus Kleve zum Beispiel richtet sich stark nach den Niederländ­ern, die für Brot und Brötchen gerne über die Grenze kommen und „alles hell“wünschen.

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