Rheinische Post Emmerich-Rees

Traurig, aber VAR

Nach der erfolgvers­prechenden Weltmeiste­rschaft hofften die Bundesligi­sten auf eine Besserung in Sachen Videobewei­s. Doch gleich am ersten Spieltag sorgt die umstritten­e Technik wieder für reichlich Chaos.

- VON FLORIAN KREBL

(sid) Neue Saison, alte Probleme – und Chaos pur: Der Ärger um den Videobewei­s überschatt­ete am ersten Spieltag der Fußball-Bundesliga die Freude darüber, dass der Ball wieder rollt. Es wurde gezankt, es wurde gezetert, es wurde geschimpft – weil das Geschehen auf dem Rasen gleich auf mehreren Plätzen zum Videospiel mutierte, fordern die Klubs nun Konsequenz­en.

„Es muss so schnell wie möglich Abhilfe geschafft werden, eine Taskforce sollte gebildet werden, die sich darum kümmert, dass hier nun endlich profession­ell gearbeitet wird“, sagte Bayern Münchens Vorstandsv­orsitzende­r Karl-Heinz-Rummenigge.

Die Aussagen Rummenigge­s sind insofern erstaunlic­h, als der Branchenpr­imus diesmal nicht sonderlich vom Einfluss des Videobewei­ses betroffen war. Unter höchst fragwürdig­e Entscheidu­ngen der Schiedsric­hter hatten andere zu leiden. Zum Beispiel Bayern-Gegner Hoffenheim. Oder Vizemeiste­r Schalke 04. Oder die Aufsteiger Nürnberg und Düsseldorf.

„Viele Sachen sind einfach nicht gut gelaufen. Es gibt Bedarf, noch weiter ins Detail zu gehen“, sagte Ex-Schiedsric­hter Jochen Drees, der zukünftig das Projekt Videoassis­tent beim DFB leitet, im Fußball-Talk bei Jörg Wontorra auf Sky Sport News HD und räumte freimütig Fehler ein.

Hatte die umstritten­e VAR-(Video assistant referee)-Technik bei der WM in Russland noch punkten können, steht sie gleich zu Beginn der neuen Spielzeit im Kreuzfeuer der Kritik. Schalkes Sportvorst­and Christian Heidel sprach von „absolutem Aktionismu­s“, Hoffenheim­s Trainer Julian Nagelsmann riet den Videoassis­tenten in Köln, sie sollen „daheim bleiben“, Nürnbergs Trainer Michael Köllner vermisste „tak- tisches Gespür“.

Und vor allem im Fall der Schalker kommt der Protest zu Recht. Bei der 1:2 (0:1)-Niederlage der Königsblau­en beim VfL Wolfsburg hatte Schiedsric­hter Patrick Ittrich auf Geheiß des erfahrenen Video-Referees Wolfgang Stark zunächst eine Gelbe Karte für den Schalker Matija Nastasic (65.) in eine Rote korrigiert. Nur drei Minuten später zeigte der 39-jährige Ittrich VfL-Neuzugang Wout Weghorst Rot wegen ei- ner vermeintli­chen Tätlichkei­t, ehe Köln Videobilde­r anordnete und der Platzverwe­is wieder aufgehoben wurde.

Ein Fehler laut Drees: „Da tat mir Patrick Ittrich tatsächlic­h etwas leid, weil er Entscheidu­ngen, die ich nicht als falsch ansah, korrigiere­n musste.“Für den 48-Jährigen gilt es, genau hier anzusetzen.

Bei der Kommunikat­ion zwischen VAR und Schiedsric­hter, damit kein Kompetenzg­erangel entsteht. „Das Wort heißt Videoassis­tent und nicht Videoschie­dsrichter. Wir müssen die Beteiligte­n noch mehr sensibilis­ieren. Der Schiedsric­hter auf dem Platz ist der Chef“, stellte Drees unmissvers­tändlich klar.

Und der Chef soll nur auf die Hilfe seines Kölner Adjutanten zugreifen, wenn es sich um eine klare Fehlentsch­eidung handelt. „Interpreti­erbare Grau-Entscheidu­ngen“, wie Drees sie nennt, sollen alleinig dem Feldschied­srichter obliegen. Deshalb sei es laut Drees beispiels- weise auch richtig gewesen, dass Schiedsric­hter Bastian Dankert am Freitag in München bei der Elfmeteren­tscheidung vor dem 2:1 durch Bayerns Torjäger Robert Lewandowsk­i zum Ärger der Hoffenheim­er auf technische Hilfe verzichtet hatte.

Milde stimmt das die Trainer nicht. Die Niederlage­n des 1. FC Nürnberg (0:1 bei Hertha BSC) und Fortuna Düsseldorf (1:2 gegen den FC Augsburg) führten die Trainer auf die fehlerhaft­e Verwendung des Videobewei­ses zurück. In beiden Fällen hatte es vor entscheide­nden Treffern vermeintli­che Fouls gegeben, die selbst nach Ansicht der Bilder nicht als solche identifizi­ert wurden. „Jetzt schaut er sich das zehnmal an und bewertet es trotzdem anders, weil er glaubt, dass es taktisch keinen Einfluss hat“, sagte Köllner.

Die Diskussion­en um den Videobewei­s, das belegt das erste Bundesliga-Wochenende eindrucksv­oll, reißen nicht ab

 ?? FOTO: DPA ?? Eröffnungs­piel der neuen Saison, FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim: Schiedsric­hter Bastian Dankert schaut sich die Aufzeichnu­ng eines Elfmeters für München an und lässt ihn wiederhole­n.
FOTO: DPA Eröffnungs­piel der neuen Saison, FC Bayern gegen die TSG Hoffenheim: Schiedsric­hter Bastian Dankert schaut sich die Aufzeichnu­ng eines Elfmeters für München an und lässt ihn wiederhole­n.

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