PERSÖNLICH
Wenn es einen gibt, für den der Begriff „political animal“wie gemacht scheint, dann ist er es: Daniel Cohn-Bendit. 73 ist er inzwischen, und vor vier Jahren hat er sich nach zwei Dekaden als Europaabgeordneter aus der Politik zurückgezogen. „Bevor sie mich umbringt“, begründete der Grünen-Politiker seinen Schritt. Leicht ist er ihm trotzdem nicht gefallen, das sagen alle, die ihn kennen. Und nun lockt eine große Versuchung: Cohn-Bendit könnte Umweltminister werden, in Frankreich, seiner zweiten Heimat. Der bisherige französische Umweltminister Nicolas Hulot hatte am Dienstag überraschend seinen Rücktritt angekündigt und dies mit mangelnden Fortschritten beim Umwelt- und Klimaschutz begründet. Eine politische Schlappe für Staatspräsident Emmanuel Macron, der mit sinkenden Po- pularitätswerten zu kämpfen hat. Und der einen wie Cohn-Bendit gut gebrauchen könnte. Denn „Dany le Rouge“, wie sie ihn in Frankreich nennen, seit er im Mai 68 zum Gesicht der Pariser Studentenrevolte wurde, ist jenseits des Rheins eine ganz große Nummer. „In Deutschland bin ich bekannt“, sagte Cohn-Bendit einmal in aller Bescheidenheit. „In Frankreich aber bin ich eine Ikone“. Während es in Deutschland zuletzt ruhig um ihn geworden ist, turnt der weiß gewordene Rotschopf munter weiter durch die französischen Talkshows. Meist in der Rolle des europäischen Überzeugungstäters, der den Franzosen die Leviten liest. Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht; mit den französischen Grünen, für die er einige Jahre im Europaparlament saß, hat er sich darüber schon vor Jahren zerstritten. Er ist eben ein Freund klarer Worte. Während des letzten Präsidentenwahlkampfs fetzte er sich vor laufenden Kameras mit dem Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, der ihn persönlich angegriffen hatte, und endete mit einem kernigen „Ach, leck’ mich doch!“ Es ist also nicht nur Koketterie, wenn Cohn-Bendit auf die Spekulationen um seine mögliche Berufung in die französische Regierung erst einmal zurückhaltend reagierte. „Minister ist nicht mein Ding“, habe er Macrons Beratern gesagt, die ihn angerufen hätten. Andererseits habe er aber auch große Lust, Macron zu helfen, fügte er gleich hinzu. Am Sonntag sollte es ein persönliches Gespräch der beiden Männer geben. Vielleicht lässt sich Cohn-Bendit also doch noch an den Pariser Kabinettstisch locken.
Rein rechtlich steht einer Spätkarriere als Minister jedenfalls nichts entgegen. Lange hatte Cohn-Bendit, obwohl 1945 als Sohn deutscher Juden in Frankreich geboren, nur einen deutschen Pass. Erst seit 2015 wurde er auch französischer Staatsbürger. In weiser Voraussicht.
Matthias Beermann