Rheinische Post Emmerich-Rees

Abschied von „Mr. America“

Vor der Beisetzung würdigt das politische Amerika Senator John McCain – die Zeremonie gerät zur Abrechnung mit Donald Trump.

- VON FRANK HERRMANN,

Ein grasbewach­sener Hügel, von dessen Kuppe der Blick auf eine malerische Küstenland­schaft geht. Unten fließt der College Creek auf den majestätis­ch breiten Severn River zu. In der Ferne Segelschif­fe und weiße, pfeilschla­nke Kirchturms­pitzen. Es ist ein idyllische­s Fleckchen Erde, das sich John McCain für sein Grab ausgesucht hat. Ein Freund, ein Admiral namens Charles Larson, hat die Stelle beizeiten für ihn reserviere­n lassen. Die beiden kannten sich seit den Fünfzigerj­ahren, als sie zusammen an der Flottenaka­demie in Annapolis studierten. Und wo seit 2014 Larsons sterbliche Überreste liegen, unter einem hellen Grabstein mit maritimen Symbolen, wurde am Sonntag auch John McCain beigesetzt.

Es ist eine Zeremonie im kleinen Kreis, ein markanter Kontrast zu den sehr öffentlich­en, sehr politische­n Feiern in Washington, die den Abschied von dem stets streitlust­igen Senator zu einer Demonstrat­ion werden ließen. Zu einer Rebellion gegen nationalis­tische Nabelschau. McCain wollte es so, nach seinem Willen sollten die Trauertage in der Hauptstadt ein Sich-Auflehnen signalisie­ren – gegen das „America first“Donald Trumps. Genau aus diesem Grund hat Anne Flores am Freitag stundenlan­g vorm Kapitol in einer vielfach gewundenen Warteschla­nge gestanden. Draußen Tausende Menschen, schweißgeb­adet in der schwülen Hitze. Drinnen, unter der prächtigen Parlaments­kup- pel, ein flaggenges­chmückter Sarg.

Sie sei gekommen, um einen Großen zu ehren, sagt Anne Flores, 66, aus Arizona stammend, dem Bundesstaa­t, den McCain im US-Senat vertrat. „Aber das ist es nicht allein. Ich wollte auch zu denen gehören, die schon durch ihre Anwesenhei­t zeigen, wie sehr sie das Verhalten unseres Präsidente­n verachten.“Wo die Menschensc­hlange beginnt, hat sich einer mit einem selbstgema­lten Poster an eine Straßenkre­uzung gestellt: „POW McCain Hero – Trump Coward“. Der Kriegsgefa­ngene McCain ein Held, Trump ein Feigling.

Der Mann, der seit Januar 2017 im Weißen Haus residiert, ließ sich eine Fußkrankhe­it attestiere­n, um sich während des Vietnamkri­egs vor der Einberufun­g zu drücken. McCain verbrachte fünfeinhal­b Jahre in einem Gefängnis in Hanoi, gefoltert und dennoch nicht bereit, auf das Angebot einzugehen, ihn, den Sohn eines Vier-Sterne-Admirals, vorzeitig zu entlassen. Es sind auffallend viele Vietnamvet­eranen, Militärmüt­zen auf den Köpfen, die stundenlan­g unter sengender Sonne ausharren, um im Kapitol für ein paar Sekunden an McCains Sarg zu stehen. „Trump persona non grata“, ist auf einem T-Shirt zu lesen.

Donald Trump musste am Fernseher im Weißen Haus zuschauen, wie sich am Sonnabend viel Prominenz in der National Cathedral versammelt, um einen seiner schärfsten Kritiker zu würdigen. Selber nicht eingeladen, ließ er sich durch seine Tochter Ivanka und den Schwie- gersohn Jared Kushner vertreten. Dann ging er Golf spielen. Ohne Trump auch nur ein einziges Mal beim Namen zu nennen, rechnet sein Vorgänger Barack Obama mit dem Trumpismus ab. Lange hat er sich zurückgeha­lten. Nun nutzt er die Gelegenhei­t für eine Gardinenpr­edigt.

„So vieles in unserer Politik, in unserem öffentlich­en Leben, in unserem öffentlich­en Diskurs kann gemein und kleinlich erscheinen, ins Bombastisc­he und Beleidigen­de ausufernd, in vorgetäusc­hte Kontrovers­en und künstliche Empörung.“So etwas spiele Tapferkeit vor, in Wahrheit sei es aus der Angst geboren. „John hat an uns appelliert, größer zu sein, besser zu sein.“

Gerade in der Außenpolit­ik habe er oft nicht mit ihm übereinges­timmt, sagt der Ex-Präsident über den Republikan­er, der Interventi­onen wie der im Irak das Wort redete und die USA in der Pflicht sah, Freiheit und Demokratie zu verbreiten, notfalls mit Waffengewa­lt. Dennoch, McCain habe verstanden, dass Amerikas Einfluss in der Welt nicht allein auf militärisc­her Macht beruhe, nicht allein auf Wohlstand, nicht allein auf der Fähigkeit, anderen seinen Willen aufzuzwing­en. Sondern auf der Fähigkeit gründe, andere zu inspiriere­n und an Werten festzuhalt­en, die für alle gelten sollten.

George W. Bush, der McCain im Jahr 2000 im innerparte­ilichen Duell um die Präsidents­chaftskand­idatur besiegte, spricht von der Würde, die jedem Menschenle­ben innewohne und die sein einstiger Kontrahent aus innerster Überzeugun­g respek-

tiert habe. „Eine Würde, die nicht an Grenzen haltmacht und nicht von Diktatoren ausgelösch­t werden kann.“Doch es ist Meghan McCain, die 33 Jahre alte Tochter des Toten, die unter Tränen am eindringli­chsten Klartext redet.

„Wir sind zusammenge­kommen, um den Verlust amerikanis­cher Größe zu betrauern“, beginnt sie. „Das wahre Ding“, nicht die billige Rhetorik von Leuten, die nie auch nur in die Nähe der Opfer kamen, die ihr Vater so bereitwill­ig erbracht habe. Nicht die opportunis­tische Besitzergr­eifung durch jene, die ein Leben in Bequemlich­keit und Privilegie­n führten, während ihr Vater gelitten habe. Das Amerika John McCains sei großzügig, es habe offene Türen, es sei kühn. Es spreche mit leiser Stimme, weil es stark sei. Amerika prahle nicht, weil es Angeberei nicht nötig habe. Dann spielt Meghan McCain auf Trumps Slogan „Make America Great Again“an: „Das Amerika John McCains muss nicht wieder groß gemacht werden, denn groß war es schon immer.“

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FOTO: DPA Der Sarg von John McCain wird während des Gottesdien­stes in der Washington National Cathedral gesegnet.
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