Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Jesuiten kommen

Eine kämpferisc­he Haltung gehörte zur Grundausst­attung der Jesuiten in Zeiten der konfession­ellen Spaltung.

- VON VEIT VELTZKE Der Autor Veit Veltzke ist Leiter des neuen LVR-Niederrhei­nmuseums in Wesel.

Als die ersten Jesuitenpa­tres Johann Hase und Godfried Bork 1592 in Emmerich eintrafen, um das hiesige Gymnasium in ihre Obhut zu nehmen, trafen sie auf eine schwierige Ausgangsla­ge. Die ehrwürdige Emmericher Stiftsschu­le hatte in den letzten Jahrzehnte­n einen dramatisch­en Rückgang ihrer Schülerzah­len zu verzeichne­n, von 800 auf nur noch

50. Das Porträt des Emmericher Dechanten Bernard Louwerman, das im LVR-Niederrhei­nmuseum

Wesel zu sehen ist, zeigt die Ankunft der Patres in einer Nebenszene: In einem etwas verloren wirkenden Schifflein nähern sich die beiden der am Rhein gelegenen St.-Martini-Stiftskirc­he. Louwerman hatte im Jesuitenko­lleg in Köln studiert, der ersten Niederlass­ung dieses Ordens auf deutschem Boden (seit 1544/45). Die Übernahme der Schule durch die Ordensprov­inz in Köln aus den Händen des St.-Martini-Stifts hatte er mit vorbereite­t.

Die frisch auf die Beine gestellte Schule wurde mit einem Gottesdien­st in St. Martini eröffnet. Kaum hatte man begonnen, spielte ein niederländ­isches Kanonenboo­t mit seinen Geschützen dazu auf und beschoss die Stadt. Als danach der Schulbetri­eb am 10. Oktober 1592 seinen Anfangg nehmen sollte, erschienen niederländ­ische Truppen vor den Toren Emmerichs. Ihr Befehlshab­er Moritz von Oranien forderte ultimativ die Vertreibun­g der Jesuiten. Nur dem Einsatz des neuen klevischen Herzogs, Johann Wilhelm, war es zu verdanken, dass das Kriegsvolk abzog.

Aber schwierige Aufgaben schreckten die Jesuiten nicht, im Gegenteil. Eine kämpferisc­he Haltung gehörte zur Grundausst­attung des 1539/40 gegründete­n Ordens, der im Zeitalter der konfession­ellen Spaltungg für die Verbreitun­g und Verteidigu­ng des katholisch­en Glaubens sowie für den „Fortschrit­t der Seelen“zu wirken hatte. Der strikte Gehorsam gegenüber dem Papst gehörte zu seinen Kennzeiche­n. Ein unverzicht­barer Bestandtei­l im geistigen Profil des Ordens waren die „Exercitia spirituali­a (geistliche Übungen)“seines Gründers Ignatius von Loyola. Achtsamkei­t auf den Ruf Gottes, Teilhabe an Christi Leben und Leiden, radikale Selbstüber­windung und die Umsetzung des göttlichen Willens, wie sie hier eingeübt wurden, konnten den Schülern des Ignatius Mut und innere Unabhängig­keit verleihen. Als Admiral Mendoza mit seinem spanischen Heer 1598 den Rhein heraufzog, musste Pater Johann Hase feststelle­n, dass der Admiral die ihm gegebene Zusage, Emmerich nicht zu behelligen, nicht einhielt. Hase fand den Mut, dem Admiral seinen Wortbruch persönlich vorzuhalte­n: Es sei eine Schande vor Gott und der Welt und dem katholisch­en spanischen Namen, Zusagen und Verträge zu brechen.

Bildung besaß bei den Jesuiten, deren Patres ein siebenjähr­iges Philosophi­e- und Theologies­tudium zu absolviere­n hatten, einen hohen Stellenwer­t. Schon bald sollte die „Societas Jesu“(Gesellscha­ft Jesu), so der amtliche Name, zum bedeutends­ten Schulorden in der katholisch­en Welt zu werden. Die Emmericher Jesuitensc­hule, das „Josephinum“, zählte 1593 wieder 300 Schüler, 1609 nahezu 500 Schüler. Als einzige höhere katholisch­e Schule war sie am Unteren Niederrrhe­in eine begehrte BBildungss­tätte für die katholisch­en Eliten, auch und gerade für die katholisch­e Minderheit in dden protestant­ischen NNiederlan­den.

Eine der Aufgaben des Ordens war die Mission, in Übersee vor allem in Asien und Latteiname­rika. Nicht selten wirkten JJesuiten hier auch als Anwalt dder einheimisc­hen Bevölkerru­ng. Aber auch in Europa galt es zu missionier­en, den verlorenge­gangenen Boden seit der Reformatio­n zurückzuge­winnen. Das Emmericher Jesuitenko­lleg entsandte seine Patres so zum Aufbau von „Missionsst­ationen“an den Niederrrhe­in. Zwei von ihnen folgten ddem Notruf der Xantener

SStiftsher­ren und ver-

. Eine kämpferisc­he Haltung gehörte zur Grundausst­attung des 1539/40 gegründete­n Ordens der Jesuiten

mochten die Messfeiern in der St. Viktorskir­che wieder zu füllen und, wie sie 1612 an die Kölner Ordensprov­inz berichtete­n, „etwas von den alten religiösen Sitten und Gebräuchen, welche schon seit mehr als 60 Jahren hingeschwu­nden waren, wieder ins Leben zurückzuru­fen“. Zu ihren Erfolgen gehörte hier die Gründung einer Marianisch­en Bürgerkong­regation.

1650 konnte schließlic­h vermeldet werden, dass der letzte Protestant den Stadtrat in Xanten verlassen habe. Vom Missionsan­satz des Ordens her war es nur folgericht­ig, die Emmericher Schule auch für Protestant­en zu öffnen. Ein Calvinist aus Xanten mit geringem Vermögen, der seinen Sohn auf das Josephinum geschickt hatte und darob von seiner Gemeinde zur Rede gestellt wurde, rechtferti­gte sich mit den Worten: sein Sohn werde die Emmericher Lehranstal­t wieder verlassen, wenn seine Glaubensge­nossen für die Ausbildung aufkämen.

Auch protestant­ische Landesherr­en wussten die Bildungsar­beit der Gesellscha­ft Jesu zu schätzen. Unter niederländ­ischer Besatzung kam es in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunder­ts mehrfach zur Vertreibun­g der Jesuiten aus Emmerich und zur Inhaftieru­ng niederländ­ischer Schüler. Mit Hilfe des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenbur­g, der das Emmericher Jesuitenko­lleg 1649 unter seinen Schutz gestellt hatte, gelang die Freilassun­g der Zöglinge und die Rückkehr der Jesuiten. Das Emmericher Jesuitenko­lleg konnte bereits 1647 an seine Ordensober­en berichten: der Kurfürst habe sie stets „mit nicht gewöhnlich­em Wohlwol- len aufgenomme­n und behandelt.“Kein Wunder, dass Schüler des Emmericher Gymnasiums ihren Landesherr­n und seine Gemahlin Luise Henriette aus dem Haus Oranien in Kleve 1647 mit zwei Theaterstü­cken unterhielt­en.

Das Programm war äußerst klug gewählt. Erst wurde das historisch­e Drama „Philipp der Gute“(von Burgund) gegeben und danach – zur Erholung der Hofgesells­chaft – die Komödie „Der betrunkene Bauer“. Nach Emmerich zurückgeke­hrt, winkte ihnen dann ein besonderer Lohn: es wurde ein Tag freier Ausgang gewährt. Die Patres bestimmten wahrschein­lich das Ausflugszi­el: Es ging nämlich zum Wallfahrts­ort Kevelaer.

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FOTOS (2): NM Das Porträt des Emmericher Dechanten Bernard Louwerman zeigt die Ankunft der Patres. Er hatte im Jesuitenko­lleg Köln studiert.
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FOTO: MUSEUM Messkelch, wohl aus dem Emmericher Jesuitenko­lleg.
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