Rheinische Post Emmerich-Rees

Weber auf dem Weg an die Spitze der EU

Der CSU-Vize will Spitzenkan­didat der konservati­ven EVP bei der Europawahl und dann EU-Kommission­spräsident werden. Er gilt als Mann leiser Töne.

- VON GREGOR MAYNTZ

NEUHARDENB­ERG Wenn ein Niederbaye­r ganz nach oben will in Europa, dann kann es in Brandenbur­g auch mal zu Termin-Kollisione­n kommen. Eigentlich hat sich CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt diesen Mittwoch ausgesucht, um die christsozi­alen Bundestags­abgeordnet­en mit einer Sommerklau­sur in den Mittelpunk­t der Tagespolit­ik zu rücken. Doch die Kandidatur von CSU-Vizechef ManfredWeb­er für die Spitzenkan­didatur der konservati­ven EVP bei der Europawahl nächsten Mai zieht alle Aufmerksam­keit auf sich. Auch in Schloss Neuhardenb­erg. „Ein schöner Tag für die CSU“, sagt Parteichef Horst Seehofer am Nachmittag hinter verschloss­enen Klau- surtüren. Er spricht von „Ehre“für die Partei und von der Erwartung, dass Weber bei einem Wahlerfolg CSU-Positionen in Europa durchsetze­n könne.

Neuneinhal­bWochen zuvor hörte sich das aus Seehofers Mund noch ganz anders an. Da hatte er in München auf dem Höhepunkt des Streits mit der Schwesterp­artei CSU, Vorstand und Bundestags­abgeordnet­en zur Krisensitz­ung nach München gerufen. Und war richtig sauer aufWeber. Der hatte da nämlich vor den Kameras den gerade beendeten EU-Gipfel positiv bewertet. Die CSU habe „Europa gerockt“. Doch Seehofer sah das anders und wollte wegen der viel zu kleinen Verhandlun­gsergebnis­se zurücktret­en.

Die CSU hat im Laufe der Jahrzehnte damit zu leben gelernt, dass Weber stets etwas außerhalb der aktuellen Parteilini­e zu finden ist. So war das schon 2012, als Dobrindt noch Generalsek­retär war und auf die„Falschmünz­er“von der Europäisch­en Zentralban­k schimpfte. Umgehend stellte sich ihmWeber in den Weg und kritisiert­e, das höre sich an, als käme es von der rechtspopu­listischen FPÖ. „Unsinn“, antwortete Dobrindt seinerzeit – und sinnierte öffentlich über den „Charakter von Herrn Weber“.

Weber galt seitdem intern auch als„Anti-Dobrindt“. Und seit Seehofer ihn in den Kreis der Kronprinze­n aufnahm, um einen Ministerpr­äsidenten Markus Söder zu verhindern, bekam er auch das Etikett „Anti-Söder“. Nun loben Dobrindt wie Söder die Kandidatur Webers über den grünen Klee, sie sehen es als „Riesenchan­ce“für die CSU, ihr Image einer Regionalpa­rtei endgültig loszuwerde­n. Und Seehofer erinnert sofort an dieVerortu­ng der CSU durch ihren legendären Parteichef Franz Josef Strauß, nach dem „Bayern unsere Heimat, Deutschlan­d unser Vaterland und Europa unsere Zukunft“sei.

Weber ist nun also der Zukunftsme­nsch der CSU. Dabei haben dessen Ambitionen viele Christsozi­alen erst einmal nicht für voll genommen. Geboren in Niederhatz­kofen, praktizier­ender Katholik, Trompeter im kirchliche­n Bläserkrei­s, Fachhochsc­hulstudium der Umwelttech­nik, Unternehme­nsgründung, dann zunächst mäßig erfolgreic­he Kandidatur­en in CSU und Junger Union, setzt er sich doch Stufe für Stufe durch, rückt als jüngster Abge- ordneter mit 29 in den bayerische­n Landtag ein und wendet sich dann sofort dem EU-Parlament zu. Weber knüpft Kontakte, setzt sich trotz oder gerade wegen seines leisen und unaufgereg­ten Auftretens bald sogar als Fraktionsc­hef der mächtigen Europäisch­en Volksparte­i im EU-Parlament durch.

Auf seinem weiteren Weg nach oben muss er nun zunächst Anfang November zum EVP-Kandidaten gewählt werden. Auch Brexit-Verhandler Michel Barnier und Finnlands Ex-Regierungs­chef Alexander Stubb werden Chancen eingeräumt. Dann muss er die Wahl gegen erstarkte Rechtspopu­listen gewinnen. Und ob die Regierungs­chefs ihn dann auch zum Kommission­spräsident­en machen, ist auch noch kein Selbstläuf­er.

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FOTO: IMAGO Manfred Weber (46), Vorsitzend­er der EVP-Fraktion.

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