Weber auf dem Weg an die Spitze der EU
Der CSU-Vize will Spitzenkandidat der konservativen EVP bei der Europawahl und dann EU-Kommissionspräsident werden. Er gilt als Mann leiser Töne.
NEUHARDENBERG Wenn ein Niederbayer ganz nach oben will in Europa, dann kann es in Brandenburg auch mal zu Termin-Kollisionen kommen. Eigentlich hat sich CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt diesen Mittwoch ausgesucht, um die christsozialen Bundestagsabgeordneten mit einer Sommerklausur in den Mittelpunkt der Tagespolitik zu rücken. Doch die Kandidatur von CSU-Vizechef ManfredWeber für die Spitzenkandidatur der konservativen EVP bei der Europawahl nächsten Mai zieht alle Aufmerksamkeit auf sich. Auch in Schloss Neuhardenberg. „Ein schöner Tag für die CSU“, sagt Parteichef Horst Seehofer am Nachmittag hinter verschlossenen Klau- surtüren. Er spricht von „Ehre“für die Partei und von der Erwartung, dass Weber bei einem Wahlerfolg CSU-Positionen in Europa durchsetzen könne.
NeuneinhalbWochen zuvor hörte sich das aus Seehofers Mund noch ganz anders an. Da hatte er in München auf dem Höhepunkt des Streits mit der Schwesterpartei CSU, Vorstand und Bundestagsabgeordneten zur Krisensitzung nach München gerufen. Und war richtig sauer aufWeber. Der hatte da nämlich vor den Kameras den gerade beendeten EU-Gipfel positiv bewertet. Die CSU habe „Europa gerockt“. Doch Seehofer sah das anders und wollte wegen der viel zu kleinen Verhandlungsergebnisse zurücktreten.
Die CSU hat im Laufe der Jahrzehnte damit zu leben gelernt, dass Weber stets etwas außerhalb der aktuellen Parteilinie zu finden ist. So war das schon 2012, als Dobrindt noch Generalsekretär war und auf die„Falschmünzer“von der Europäischen Zentralbank schimpfte. Umgehend stellte sich ihmWeber in den Weg und kritisierte, das höre sich an, als käme es von der rechtspopulistischen FPÖ. „Unsinn“, antwortete Dobrindt seinerzeit – und sinnierte öffentlich über den „Charakter von Herrn Weber“.
Weber galt seitdem intern auch als„Anti-Dobrindt“. Und seit Seehofer ihn in den Kreis der Kronprinzen aufnahm, um einen Ministerpräsidenten Markus Söder zu verhindern, bekam er auch das Etikett „Anti-Söder“. Nun loben Dobrindt wie Söder die Kandidatur Webers über den grünen Klee, sie sehen es als „Riesenchance“für die CSU, ihr Image einer Regionalpartei endgültig loszuwerden. Und Seehofer erinnert sofort an dieVerortung der CSU durch ihren legendären Parteichef Franz Josef Strauß, nach dem „Bayern unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft“sei.
Weber ist nun also der Zukunftsmensch der CSU. Dabei haben dessen Ambitionen viele Christsozialen erst einmal nicht für voll genommen. Geboren in Niederhatzkofen, praktizierender Katholik, Trompeter im kirchlichen Bläserkreis, Fachhochschulstudium der Umwelttechnik, Unternehmensgründung, dann zunächst mäßig erfolgreiche Kandidaturen in CSU und Junger Union, setzt er sich doch Stufe für Stufe durch, rückt als jüngster Abge- ordneter mit 29 in den bayerischen Landtag ein und wendet sich dann sofort dem EU-Parlament zu. Weber knüpft Kontakte, setzt sich trotz oder gerade wegen seines leisen und unaufgeregten Auftretens bald sogar als Fraktionschef der mächtigen Europäischen Volkspartei im EU-Parlament durch.
Auf seinem weiteren Weg nach oben muss er nun zunächst Anfang November zum EVP-Kandidaten gewählt werden. Auch Brexit-Verhandler Michel Barnier und Finnlands Ex-Regierungschef Alexander Stubb werden Chancen eingeräumt. Dann muss er die Wahl gegen erstarkte Rechtspopulisten gewinnen. Und ob die Regierungschefs ihn dann auch zum Kommissionspräsidenten machen, ist auch noch kein Selbstläufer.