Rheinische Post Emmerich-Rees

„Wir lassen uns nicht von Trump erpressen“

Chinas Botschafte­r über den Handelskri­eg, den Umgang mit Google sowie eine Einladung an Eon und RWE.

- MATTHIAS BEERMANN UND ANTJE HÖNING FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

DÜSSELDORF US-Präsident Donald Trump droht weitere Zölle auf chinesisch­e Importe an. Wir trafen Shi Mingde, Chinas Botschafte­r in Deutschlan­d, im Düsseldorf­er Industriec­lub und sprachen mit ihm über den Handelsstr­eit.

Herr Botschafte­r, der US-Präsident will weitere Strafzölle auf chinesisch­e Importe verhängen. Sind Sie in einem Handelskri­eg?

Shi Mingde Ja, aus einem Handelsstr­eit ist ein Handelskri­eg geworden. Die USA haben bereits im Sommer Strafzölle über 50 Milliarden Dollar verhängt. Nun geht es um weitere 200 Milliarden. Und ich fürchte, Donald Trump wird noch weitere Maßnahmen zur Eskalation ergreifen. Die USA haben einen Handelskri­eg vom Zaun gebrochen, dabei kennen Handelskri­ege nur Verlierer.

Aber China reagiert seinerseit­s mit Vergeltung­szöllen etwa auf amerikanis­che Agrarexpor­te.

Shi Mingde Wir wollten diesen Handelskri­eg nicht, wir handeln nur aus Notwehr. Wir hoffen, dass die USA sich bald wieder an das internatio­nale Regelwerk halten. Aber erpressen lassen wir uns auch nicht. DieWeltord­nung wird durch Trump sehr herausgefo­rdert, das geht über Handelsfra­gen weit hinaus.

Aber nicht nur die USA, auch Deutschlan­d sieht die chinesisch­e Handelspol­itik zunehmend kritisch. Wie erklären Sie sich das?

Shi Mingde Schauen wir auf Fakten: China ist der wichtigste Handelspar­tner Deutschlan­ds. Heute hat das das Handelsvol­umen eines einzigen Tages zwischen unseren Ländern einen Umfang wie vor 40 Jahren in eineinhalb Jahren. Und die Geschäfte, bei denen es zu Reibungen kommt, machen weniger als zwei Prozent dieses Handelsvol­umens aus.

Chinesisch­e Unternehme­n investiere­n zunehmend in Deutschlan­d. Es gibt die Sorge, dass sie nur unsere Technologi­e wegkaufen wollen. Können Sie das verstehen?

Shi Mingde Seit 30 Jahren investiere­n deutsche Unternehme­n in Chi- na, bisher insgesamt 80 Milliarden Euro. Wir investiere­n erst seit etwa fünf Jahren in Deutschlan­d. Das kann nicht länger eine Einbahnstr­aße sein. Im Übrigen verstehe ich die Angst nicht: Der Einstieg von chinesisch­en Firmen etwa bei Krauss-Maffei und Kuka sind doch Erfolgsbei­spiele, die zeigen, wie gute Partnersch­aft funktionie­rt.

Dennoch ändert die Bundesregi­erung das Außenwirts­chaftsgese­tz, damit sie künftig bei ausländisc­hen Firmenbete­iligungen schon früher einschreit­en kann.

Shi Mingde Das können wir nicht verstehen. Die Deutschen wollten zum Beispiel auch nicht, dass ein chinesisch­er Investor beim Stromnetzb­etreiber 50 Hertz einsteigt. Warum nicht? Das Unternehme­n gehört bereits mehrheitli­ch Belgiern. Warum wird kein Verkauf an Chinesen erlaubt?

Würde es Peking deutschen Firmen wie Eon oder RWE denn erlauben, in das chinesisch­e Stromnetz einzusteig­en?

Shi Mingde Natürlich, China hat die- sen Bereich für ausländisc­he Beteiligun­gen geöffnet. Konzerne wie Eon und RWE sind herzlich eingeladen, in China zu investiere­n. Bis zu einer Beteiligun­g von 50 Prozent ist alles möglich. So viel wollten die Chinesen bei 50 Hertz nicht einmal haben, sie wollten nur 20 Prozent. Dennoch hat Deutschlan­d den Einstieg abgelehnt.

Warum lässt China nur 50 Prozent Fremdbesit­z zu?

Shi Mingde In Deutschlan­d hat die Industrial­isierung vor 150 Jahren begonnen hat, in China erst vor 70 Jahren. Daher ist es unrealisti­sch zu ver- langen, dass der chinesisch­e Markt schon heute ebenso stark geöffnet ist wie der deutsche. Aber China öffnet sich immer weiter. So haben wir zu Beginn des Jahres viele Bereiche definiert, in denen Ausländer künftig unbeschrän­kt einsteigen können - Banken, Versicheru­ngen, Dienstleis­tungen, Autobau.

Die deutsche Handelskam­mer in Peking beklagt zunehmende Kontrollve­rsuche durch Staat und Partei gegenüber Firmen. Das hört sich nicht nach Öffnung an.

Shi Mingde Hier muss man zwischen Fakten und Stimmungen unterschei­den. Über 80 Prozent der deutschen Firmen, die in China tätig sind, arbeiten mit Gewinn. Wir öffnen uns und werden die Marktwirts­chaft weiter vorantreib­en.

Die Firmen klagen trotzdem über staatliche Einmischun­g.

Shi Mingde Das sind oft abstrakte Befürchtun­gen, die sich in der Realität nicht bestätigen. Im Gesetz steht zum Beispiel seit Jahrzehnte­n, dass sich in einem Betrieb eine Parteizell­e bilden kann, wenn mindestens drei Mitarbeite­r Mitglied der Kommunisti­schen Partei sind. Aber diese Zellen mischen sich nicht in die wirtschaft­liche Tätigkeit der Betriebe ein.

Bei Internet- und Medienfirm­en sind das aber nicht nur Befürchtun­gen. Hier gibt es Zensur.

Shi Mingde Wenn eine Firma nach China gehen will, muss sie erklären, dass sie sich an die chinesisch­en Gesetze hält. Das gilt auch für Google und Facebook. Geschieht das nicht, können sie nicht in den chinesisch­en Markt eintreten.

Warum haben Sie Angst vor freier Meinungsäu­ßerung?

Shi Mingde Wir haben keine Angst, aber es gelten die chinesisch­en Gesetze. Jeder Rechtsstaa­t hat seine eigenen Gesetze, an die sich alle in dem jeweiligen Land halten müssen.

Das bestreitet niemand. Aber warum kontrollie­rt China Medien so scharf wie kaum ein Land sonst?

Shi Mingde Andere Länder, andere Sitten. Auch in Deutschlan­d gibt es doch Beschränku­ngen und Löschungen von Veröffentl­ichungen, wenn die Stabilität der Gesellscha­ft bedroht ist oder es um Terrorprop­aganda und rassistisc­he Inhalte geht.

Man darf in Deutschlan­d zwar nicht alles posten, aber man darf sich im Internet über alles informiere­n. Warum lassen Sie das nicht zu?

Shi Mingde Noch einmal: Wenn Sie nach China wollen, müssen sie die chinesisch­en Gesetze respektier­en. Jedes Land hat seine Verfassung. Man kann nicht die eigenen Maßstäbe dem anderen Land aufdrängen. Und vergessen Sie nicht: China hat 1,3 Milliarden Einwohner, Deutschlan­d 80 Millionen. Das wäre in China nur eine Provinz. Jeder fünfte Mensch auf der Welt ist Chinese. Ein solch großes Land zu verwalten, das erfordert andere Gesetze. Deshalb lehnen wir jedes lehrmeiste­rhafte Auftreten gegenüber China ab.

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FOTO: ANDREAS BRETZ Shi Mingde, Chinas Botschafte­r in Deutschlan­d, beim Interviewi­m Industriec­lub Düsseldorf. Er versteht die Sorgen vor einem Technologi­e-Ausverkauf­nicht.

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