Rheinische Post Emmerich-Rees

Stindl ist auf dem Weg zurück

Borussias Kapitän darf nach seinem Syndesmose­riss seit Monaten nicht richtig trainieren. Jetzt darf er immerhin wieder den Ball in sein Auf bautrainin­g integriere­n. Grund zur Freude, die der Offensivma­nn im Internet teilt.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Es ist eine Woche der besonderen Comebacks bei Borussia. Am Donnerstag machte Mamadou Doucouré beim Testspiel inWillinge­n gegen denVfL Bochum (2:1) sein erstes Spiel nach mehr als zwei Jahren, es war zugleich sein Debüt für Borussia. Lars Stindl ist da schon viel weiter, er hat 117 Pflichtspi­ele für Mönchengla­dbach gemacht, ist Kapitän der Mannschaft. Derzeit ist er indes außer Dienst, weil er nach seinem Syndesmose­riss noch im Aufbautrai­ning ist.

Doch nun postete Stindl ein Foto im Internet, das ihn bei seinem persönlich­en Comeback zeigt: Er darf eine schöne Beziehung wieder ausleben, die Beziehung zum Ball, der meistens ein enger Freund des Herrn Stindl ist. Auf dem Bild hüpft der Ball auf Stindls Brust, fast lehrbuchmä­ßig sieht es aus, wie der 30-Jährige die Kugel behandelt. „#habdichver­misst“hat Stindl als Hashtag dazu geschriebe­n und damit einen Einblick in sein Seelenlebe­n gewährt. Bislang ging es in der Reha ohne die Kugel ab, die ihm die Welt bedeutet. Ein Fußballspi­eler, der nichts mit dem Ball machen darf, ist nur ein halber Mensch. Nun hat Stindl den Ball wieder.

Gerade jetzt, da das Bundesliga­spiel gegen Schalke ansteht, wird vieles in Stindl hochkommen, denn beim 1:1 auf Schalke verletzte er sich am 28. April. Die Szene, die ihm vielleicht die Teilnahme an der WM in Russland kostete, wird als Kopfkino auftauchen: Der lange Schritt im Schalker Strafraum, die Kollision mit Thilo Kehrer, dann sein Fuß, der im rechten Winkel umknickte, das Gefühl, dass da etwas kaputt ist, tags darauf die brutale Diagnose und schließlic­h die vielen Monate in der Reha. Ohne Team, ohne Ball. Schuften für das Comeback ist, auch wenn man möglichst nah dran bleibt an der Mannschaft, eine einsame Angelegenh­eit.

Die Rückkehr des Balls in Stindls Berufslebe­n ist ein wichtiger Schritt. Vor allem für den Kopf. Wer ihn zuweilen auf dem Trainingsp­latz gesehen hat, bei seinen Laufeinhei­ten während die anderen trainierte­n, der hat auch die heimlichen, sehnsüchti­gen Blicke gesehen – hinüber zum Ball, hinüber zu denen, die im Alltag daran arbeiteten, bereit zu sein für die Saison.

Stindl kommt gut voran, das sagte er zuletzt noch im kurzen Gespräch. Und auch, dass er keine großen Interviews geben will, solange er noch nicht wieder der Alte ist, der Kapitän, der beim Team ist, der auf dem Rasen unermüdlic­h herumpinse­lt und mit seinem besonderen Gefühl für die Räume in der Tiefe zu manchem fußballeri­schen Kunstwerk beiträgt. Das „stindln“ist ein Prinzip des Borussen-Spiels gewesen in den vergangene­n Jahren.

Wo Stindls Platz sein wird im neuen Borussen-System, wird eine der spannenden Fragen sein, wenn er zurückkehr­t. Dass er eine wichtige Rolle in Dieter Heckings Plan spielt, ist logisch. Doch weiß auch Stindl, dass der Trainer viele, viele Möglichkei­ten hat an den Stellen, an denen er spielen kann, auf der Acht und auch im Zentrum des Angriffs. Stindl wird den Konkurrenz­kampf annehmen, natürlich, und er wird seinen Platz im Team finden.

Das gehobene Personalan­gebot, dass nach dem Spiel gegen Bochum zunächst mal um Nico Elvedi und Ibo Traoré erweitert wird, wird auch für Stindl von Vorteil sein. In der vergangene­n Saison, als es so viele Verletzte gab, musste er spielen, spielen, spielen. Auch, als er eine Pause gebraucht hätte. Das merkte man ihm an, er war nicht der Stindl der Vorsaison, so dominant, so traum-

wandlerisc­h sicher. Nun wird er auch mal Ruhepausen haben dürfen.

Doch zunächst mal ist das alles noch weit weg. Er freut sich, dass er den Ball wieder hat, dass damit der Alltag wieder ein bisschen normaler geworden ist. Der nächste Schritt wird sein, ins Teamtraini­ng zurückzuke­hren. Natürlich wäre es eine wunderbare Geschichte gewesen, ausgerechn­et gegen Schalke das Comeback zu feiern. Doch das Schicksal wollte es anders. Das Spiel kommt zu früh, dennoch ist Schalke in Stindls Rückkehr-Plan ein wichtiger Punkt. Vor oder nach dem Spiel, das hat Trainer Dieter Hecking angekündig­t, soll Stindl wieder mit den Kollegen üben.

Und dann, im Oktober oder vielleicht Ende November, darf man auch über die Spiel-Rückkehr sprechen. „Alle Fohlenfans warten auf dich“, hat einer unter Stindls Foto geschriebe­n. Der Ball und nette Worte, beides ist auf den letzten Metern der Reha psychologi­sch sehr wertvoll für Stindl.

 ?? FOTO: DIRK PÄFFGEN ?? Kapitän Lars Stindl absolviert­e – wie hier im Trainingsl­ager – unzählige Reha-Einheiten ohne Ball. Nun hat er das Spielgerät zurück.
FOTO: DIRK PÄFFGEN Kapitän Lars Stindl absolviert­e – wie hier im Trainingsl­ager – unzählige Reha-Einheiten ohne Ball. Nun hat er das Spielgerät zurück.

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