Kein Raum für Entschuldigungen
Es ist nicht einmal zwei Monate her, da erhielt Serena Williams von allen Seiten großes Lob dafür, wie fair sie als Verliererin des Wimbledon-Finals gegen Angelique Kerber agierte. Ein Vorbild an Größe und Sportsgeist, diese US-Amerikanerin. Und gerade weil Williams da der Welt gezeigt hatte, wie sie sein kann, wenn es nicht für sie läuft, muss ihr Auftritt im US-Open-Finale befremdlich wirken. Und es gibt dafür auch keine akzeptable Entschuldigung.
Man mag der 36-Jährigen ja sogar zugestehen, dass sie sich durch die erste Verwarnung durch Stuhlschiedsrichter Carlos Ramos wegen illegalen Coachings von der Tribüne aus subjektiv benachteiligt fühlte. Dass sie sie als Unrecht empfand, weil sie sich keiner Schuld bewusst wahr. Und mit größtmöglichem Verständnis für die Emotionen in einem Grand-Slam-Finale mag man auch über den zertrümmerten Schläger hinwegsehen, aber was dann kam, bietet keinen Raum für plausible Nachsicht.
Das Angiften des Unparteiischen, er sei ein Dieb, der ihr einen Punkt geklaut habe. Die krude Erhöhung der Vorwürfe, Ramos habe sich das bei ihr getraut, weil sie eben eine Frau sei. Bei einem Mann wäre das nicht passiert. Man kann nur hoffen, dass sie sich ihren Ausraster von New York mit einigem Abstand noch einmal anguckt und danach die Tennis-Welt einigermaßen schamvoll um Entschuldigung bittet.
Vor allem sollte sie sich bei Naomi Osaka entschuldigen, die ganz nebenbei das Finale gewann, weil sie klar besser war. Und es steht einer Verliererin einfach nicht zu, die Bühne mehr für sich zu beanspruchen als die Siegerin. Immerhin bat Williams das peinliche US-Publikum bei der Siegerehrung, doch endlich mit den Buh-Rufen gegen Osaka aufzuhören. Es war ein Aufblitzen der fairen Serena. Der aus dem Wimbledon-Finale.
STEFAN KLÜTTERMANN