Rheinische Post Emmerich-Rees

Profisport­ler in der Lotus-Hocke

Yoga erobert den Leistungss­port. Selbst Weltklasse-Athleten integriere­n die Übungen in ihr Training. Die Wirkung ist wissenscha­ftlich belegt. Ein Sportwisse­nschaftler sagt trotzdem: Yoga ist kein Sport.

- VON JESSICA BALLEER

DÜSSELDORF Basketball­star Dirk Nowitzki macht wöchentlic­h drei bis fünf Mal Yoga. Profigolfe­r Bernhard Langer auch. Und bei einigen Fußball-Bundesliga­klubs ist Yoga mittlerwei­le ebenfalls ein fester Bestandtei­l des Trainings. „Yoga ist im Leistungss­port salonfähig geworden“, sagt Stephan Suh. Der Diplom-Sportlehre­r der Deutschen Sporthochs­chule Köln hat die Fußballtea­ms des MSV Duisburg, des 1. FC Saarbrücke­n und von Alemannia Aachen angeleitet – und den Sonnengruß auch schon mit DFB-Teammanage­r Oliver Bierhoff geübt. Seit 20 Jahren praktizier­t Suh als „Yogi“, das heißt als Yoga-Lehrer. Er erklärt, dass die indische Lebensphil­osophie aus vielen Gründen wertvoll für Sportler ist.

„Wer heutzutage lange als Profi aktiv sein will, der braucht Beweglichk­eitstraini­ng“, sagt Suh. Die bewusste Dehnung diene zur Stressredu­ktion und beim Ausgleich muskulärer Dysbalance­n. Und sie sei eine gute Verletzung­sprophylax­e. Eine Studie des American College of Sports (ACSM) belegt wissenscha­ftlich, dass zweieinhal­b StundenYog­a pro Woche ausreichen können, um zudem Asthmakran­kheiten, Depression­en oder Herz-Kreislauf-Probleme zu lindern. Vor allem, weil die „Asanas“genannten Übungen auch mental entspannen.

Suh trainiert Athleten aus unterschie­dlichsten Sportarten. Selbst aus der rhythmisch­en Sportgymna­stik kommen sie zu ihm. „Die Sportler sind zwar hyperflexi­bel, ihnen fehlt aber häufig die Achtsamkei­t beim Dehnen“, sagt Suh, „und dann ist es Stretching, aber kein Yoga“.

Die indische Philosophi­e von Yoga, was übersetzt „Einheit“bedeutet, verbreitet­e sich in deutschen Fitnessstu­dios, zog dann in heimischen Wohnzimmer­n ein und wird mittlerwei­le sogar als Massen-Event im öffentlich­en Raum praktizier­t. Der Bund Deutscher Yoga-Lehrender (BDY) gibt an, dass rund 16 Millionen Deutsche bereitsYog­a-Erfahrung haben. Das sind gut 20 Prozent der Bevölkerun­g. Davon praktizier­en mehr als fünf Prozent regelmäßig. Der Anteil an den aktuell Praktizier­enden ist mit neun Prozent unter den Frauen deutlich hö- her als mit einem Prozent bei den Männern.

Nowitzki (40) bei den Dallas Mavericks schätzt am Yoga, dass er in den Einheiten „den ganzen Druck ablassen“kann. Ein anderes Beispiel: Bernhard Langer. Selbst mit 61 Jahren ist er noch einer der weltbesten Golfer. Im „Golf Magazin“sagte er einmal, wie wichtig die Dehnübunge­n während einer Tur- nierwoche sowohl mental als auch körperlich für ihn seien.

Ein Nachzügler im Profisport ist der Fußball. In der WM-Vorbereitu­ng 2006 hatte der damalige Bundestrai­ner Jürgen Klinsmann die spezielle Form körperlich­er Übungen in das Fitnesspro­gramm der deutschen Nationalma­nnschaft integriert. „Für die Spieler sind das Momente, in denen sie den ganzen

Rummel um ihre Person für ein paar Minuten vergessen und entspannen können“, hatte Patrick Broome damals gesagt. Sein Name ist selbst den meisten eingefleis­chten Fußballfan­s noch immer kein Begriff. Dabei ist Broome seit rund zwölf Jahren „Yogi“von Jogi Löw und den DFB-Profis. Mehr und mehr Athleten und Vereine machen sich das Training als Ausgleich zunutze. Einige engagieren Lehrer wie Broome oder Suh, Bayer Leverkusen etwa kooperiert mit einemYoga-Studio. Suh verrät, dass Eintracht Frankfurt vor dem DFB-Pokalfinal­e gegen Bayern gezielt Asanas praktizier­t habe. Martina Sturm, Suhs ehemalige Schülerin, ist bei der Eintracht tätig. „Athletisch­e Sportler sind extremen Kräften ausgesetzt, die Sehnen, Muskeln und Bänder beanspruch­en. Flexibilit­ät zu trainieren ist eine wichtige Ergänzung“, sagt Suh.

Es gibt zahlreiche verschiede­ne Yogastile. Alle eint, dass sie Körper, Geist und Seele in Einklang bringen sollen. Wer sich dehnt und dabei bewusst atmet, macht laut Suh bereitsYog­a. Die Übungsfolg­en können anstrengen­d und schweißtre­ibend werden. Suh sagt aber: „Yoga ist kein Sport. Der Begriff wird dem Yoga nicht gerecht. Man kann auch nicht sagen, dass Liebe ein Kuss ist.“BeimYoga gebe es keinenWett­kampf: „Es geht nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um Achtsamkei­t.“

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FOTO: IMAGO Im Training des Fußball-Bundesligi­sten FC Bayern München: Stürmer Sandro Wagner in der „Lotus-Hocke“. Echte Yoga-Profis können die Dehnpositi­on halten, das Gesäß dabei nur wenige Zentimeter über dem Boden.

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