Rheinische Post Emmerich-Rees

Jeder siebte Patient versetzt den Arzt

Viele Kassenpati­enten nutzen Service-Stellen, um schneller einen Termin zu erhalten – und erscheinen dann nicht, klagt Kassenärzt­e-Chef Frank Bergmann. Er warnt vor einer Ausweitung auf Hausärzte.

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Seit 2016 können sich gesetzlich Krankenver­sicherte, die lange auf einen Termin beim Facharzt warten müssen, an die Terminserv­ice-Stellen der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen wenden. So schreibt es der Gesetzgebe­r vor. Und tatsächlic­h steigt die Nachfrage: 2017 vermittelt­e die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Nordrhein (KV) gut 15.000 Termine, im ersten Halbjahr diesen Jahres waren es schon rund 10.000 Termine, wie KV-Chef Frank Bergmann unserer Redaktion sagte. Das sei im Vergleich zu 70 Millionen Behandlung­sfällen in Nordrhein pro Jahr zwar überschaub­ar, aber: „Ein großes Problem ist, dass 15 Prozent der Patienten ihre vermittelt­en Termine nicht wahrnehmen.“

Zudem würden immer mehr Patienten bei Beschwerde­n gleich mehrere Fachärzte konsultier­en, weil sie etwa durch Infos im Internet verunsiche­rt seien und Sorge vor einer schweren Erkrankung hätten, sagt der oberste Kassenarzt. „Manche Patienten lassen sich vom Orthopäden, Augenarzt und Neurolo- gen durchcheck­en, obwohl sie nur einen harmlosen Spannungs-Kopfschmer­z haben.“

Terminserv­ice-Stellen versuchen, Patienten innerhalb einerWoche einen Termin bei einem Facharzt zu vermitteln. Anspruch auf einen Arzt oder Termin ihrer Wahl haben Patienten nicht. In medizinisc­h dringenden Fällen darf die Wartezeit maximal vier Wochen betragen, bei Routineunt­ersuchunge­n darf es auch länger dauern. Sollte die Serviceste­lle keinen Termin beim niedergela­ssenen Facharzt anbieten können, vermittelt sie ihn in eine Krankenhau­s-Ambulanz. Das soll den Druck auf niedergela­ssene Ärzte erhöhen. Um die Service-Stelle nutzen zu können, brauchen Patienten eine Überweisun­g zum Facharzt – es sei denn, sie wollen zum Augen- oder Frauenarzt.

Nun will Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) die Terminserv­ice-Stellen ausbauen. Künftig sollen sich Kassenpati­enten auch an sie wenden können, wenn sie Probleme mit Haus- oder Kinderärzt­en haben. Zudem will Spahn die Mindestspr­echzeiten erhöhen und eine offene Sprechstun­de für Patienten ohne Termin verpflicht­end einführen. Diese Neuregelun­g soll im April 2019 in Kraft treten.

KV-Chef Bergmann ist enttäuscht: „Gerade von einem CDU-Minister hätte ich weniger Gängelung erwartet.“Die geplante Ausweitung auf Haus- und Kinderärzt­e gehe am Pro- blem vorbei und schaffe nur neue Bürokratie. Schon jetzt beschäftig­t die KV Nordrhein acht Mitarbeite­r mit der Vermittlun­g. Vor allem sieht Bergmann keinen Bedarf: „Bei den Hausärzten gibt es kein Wartezeite­n-Problem.“Laut einer Versichert­enumfrage der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung behandeln Hausärzte Kassen- und Privatpati­enten bei der Terminverg­abe meist gleich. Fachärzte schauen dagegen schon eher auf den Status: So mussten 34 Prozent der Kassenpati­enten mehr als drei Wochen auf einen Termin warten, bei Privatpati­enten waren es nur 18 Prozent. Bergmann fürchtet, dass eine Ausweitung dazu führt, dass für akut oder schwer kranke Patienten weniger Zeit bleibe, weil die Service-Stellen Ärzten immer mehr Patienten vermitteln.

Der Spitzenver­band der Kassen hatte Spahns Pläne dagegen schon frühzeitig begrüßt: Ärzte würden aus den Portemonna­ies der Beitragsza­hler gut bezahlt. Da es bei der Terminverg­abe Probleme gebe, sei es gut, dass die Bundesregi­erung Terminserv­ice-Stellen ausbauen möchte.

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