Rheinische Post Emmerich-Rees

„NRW will Gefährder länger festhalten“

Beim Ständehaus-Treff präsentier­te sich NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet als pragmatisc­her, bisweilen selbstkrit­ischer Gesprächsp­artner.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF In der Debatte über den richtigen Umgang mit rechtsextr­emistische­n Kräften fordert Armin Laschet (CDU) vom Staat mehr Konsequenz: „Der Staat muss klare Kante zeigen und die, die den Hitlergrus­s zeigen, auch bestrafen“, sagte der NRW-Ministerpr­äsident am Montag beim Ständehaus-Treff der Rheinische­n Post Mediengrup­pe in Düsseldorf und bekam für diese Bemerkung seinen ersten Szenenappl­aus. Zugleich kritisiert­e Laschet seinen Parteifreu­nd Horst Seehofer (CSU), der in der Migrations­fra-

„Die Mutter aller Probleme – das ist Saddam-Hussein-Sprache“

Armin Laschet (CDU)

NRW-Ministerpr­äsident

ge „die Mutter aller Probleme“sieht, für dessen Sprachgebr­auch. Laschet sagte: „Die Mutter aller Probleme - das ist Saddam-Hussein-Sprache.“Hussein hatte Anfang der 1990-er Jahre den Golfkrieg als „Mutter aller Schlachten“beschriebe­n.

Gut eine Stunde lang stellte sich der Ministerpr­äsident den Fragen von RP-Chefredakt­eur Michael Bröcker, die mal auf knallharte politische Streitfrag­en abzielten und mal auf eher anekdotisc­he Begebenhei­ten aus Laschets Privatlebe­n. Im Ständehaus-Saal unter der großen Glaskuppel hörten 550 geladene Gäste aus Politik, Kultur und Wirtschaft zu, während die Küche Saltimbocc­a à la Romana reichte. Unter den Gästen waren auch Landtagspr­äsident André Kuper, etliche Mitglieder des NRW-Kabinetts wie Innenminis­ter Herbert Reul und Justizmini­ster Peter Biesenbach, Eon-Chef Johannes Teyssen, Innogy-Vorstand Hildegard Müller und Karstadt-Chef Stephan Fanderl.

Noch deutlicher als Seehofer griff Laschet Verfassung­sschutz- präsident Hans-Georg Maaßen für dessen umstritten­e Interview-Äußerungen zur Dimension rechtsextr­emer Übergriffe in Chemnitz an. Laschet sagte: „Verfassung­sschützer sollen Verfassung­sfeinde beobachten und nicht der ,Bild’-Zeitung Interviews geben.“Auf die Frage zur Zukunft von Maaßen sagte Laschet: „Das wird die Bundesregi­erung beantworte­n müssen, wie sie damit umgeht.“

Maaßen hatte dem Bundesinne­nministeri­um zuvor einen Bericht zu seinen Einschätzu­ngen der Vorgänge in Chemnitz vorgelegt, auch dem Kanzleramt ging ein solcher zu. Maaßen hatte der „Bild“-Zei- tung vergangene Woche unter anderem gesagt, es lägen seinem Amt keine belastbare­n Informatio­nen darüber vor, dass es in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer gegeben habe und musste sich ungefähr zeitgleich zum Ständehaus-Treff dafür vor Bundesinne­nminister Horst Seehofer rechtferti­gen.

Bei der aktuellen Diskussion um ein Einwanderu­ngsgesetz warb Laschet für mehr Pragmatism­us nach dem Vorbild, das NRW in früheren Jahrzehnte­n gegenüber den Gastarbeit­ern gezeigt habe: „Unter Tage hat man auch nicht gefragt: Gehört der Islam zu Deutschlan­d? Da musste gearbeitet werden.“Das neue Po- lizeigeset­z, dessen ersten Entwurf NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) nach heftiger Kritik zurückgezo­gen hatte, werde im vierten Quartal des laufenden Jahres abgeschlos­sen sein, sagte Laschet. Inhaltlich werde das Gesetz unter anderem sicherstel­len, dass Gefährder in NRW länger festgehalt­en werden können – derzeit beträgt das Maximum 48 Stunden. Zudem werde NRW der Polizei verdachtsu­nabhängige Kontrollen ermögliche­n. NRW sei neben Bremen und Berlin derzeit das einzige Bundesland, das dieses oft auch als Schleierfa­hndung beschriebe­ne Verfahren nicht erlaube.

Als größten Fehler der gut einjäh- rigen Amtszeit seines Kabinetts bezeichnet­e Laschet die verunglück­te Abschaffun­g des Sozialtick­ets, auf die Schwarz-Gelb nach massiver Kritik an den Plänen verzichten musste. Zu den größten Herausford­erungen in NRW zählt laut Laschet die Sanierung der Straßen-Infrastruk­tur, bei der die Landesregi­erung die Verkehrsbe­lastung durch ein besseres Baustellen­management senken will. Aber „staufrei wird es nie“, räumte Laschet ein.

In der Debatte um Fahrverbot­e für Diesel-Fahrzeuge forderte Laschet dazu auf, Maß zu halten. Mit einem Schuss Ironie verwies der Ministerpr­äsident auf das europä-

ische Ausland. Scheinbar seien die Autos in Rom und Paris ausnahmslo­s sauber, und alle schmutzige­n Autos führen nur über die Düsseldorf­er Corneliuss­traße.„Das muss man mal wieder ins Verhältnis bringen“, forderte Laschet. Von den Motoren der jüngsten Generation zähle der Diesel zu den umweltfreu­ndlichsten Aggregaten.

Im persönlich­en Teil des Gesprächs berichtete Laschet, dass seine Mutter zu Hause das Kommando gehabt habe. Sie sei auch dann noch resolut aufgetrete­n, als Laschet selbst längst Abgeordnet­er war. „Wenn ich dann drei bis vier Tage nicht angerufen habe, ließ sie einen das schon spüren“, sagte Laschet, ließ aber keinen Zweifel an dem liebevolle­n Verhältnis, das er zu seiner Mutter gepflegt hat. Der Frage, ob er sich auch eine Nachfolge von Angela Merkel als künftiger Bundeskanz­ler vorstellen kann, wich er aus. Mit einem Augenzwink­ern ergänzte Laschet, dass seine Frau im Zweifel wohl eher für eine weitere Zukunft in NRW entscheide­n würde.

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FOTO: ANDREAS BRETZ NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet (l.) im Gespräch mit RP-Chefredakt­eur Michael Bröcker.

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