Rheinische Post Emmerich-Rees

Union-Fraktionsv­orsitz: Brinkhaus und Kauder treten an

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Die Aussichten für Ralph Brinkhaus sind nicht gerade rosig. Der stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende kann jetzt aber nicht mehr zurück. Am 25. September wird der 50-jährige Finanzexpe­rte bei der Fraktionsv­orstandswa­hl gegen den Chef antreten. Für Volker Kauder ist es die erste Gegenkandi­datur seit seinem Amtsantrit­t 2005. CDU-Chefin und Bundeskanz­lerin Angela Merkel schlug den 69-Jährigen nun in den Spitzengre­mien der Christdemo­kraten als ihren Kandidaten vor. Es ist zur Gewohnheit bei der Union geworden, dass Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer gemeinsam einen Namen für diesen Posten nennen. Und wenn die Kanzlerin und den Bundesinne­nminister sonst nur noch wenig eint – in diesem Fall ziehen sie an einem Strang. Jedenfalls sagt das CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, und der ist nah am Parteichef.

Im CDU-Vorstand wurde Beifall geklatscht, als Merkel sich noch einmal deutlich für Kauder aussprach, berichten Teilnehmer. Auch einige von denen, die gern einen Wechsel an der Fraktionss­pitze hätten, werden in der geheimen Wahl womög- lich ihr Kreuz bei Kauder machen, heißt es. Brinkhaus habe es falsch eingefädel­t, indem er zu Merkel mit der Bitte um Unterstütz­ung ging, ohne sich vorher des Rückhalts der Fraktion versichert zu haben. Einen neuen Krach wolle die Mehrheit der Fraktion nach dem Asylstreit vom Sommer und der Dauerfehde zwischen Merkel und Seehofer um die Migrations­politik nicht riskieren.

Eine Wahl von Brinkhaus wäre eine Beschädigu­ng der Kanzlerin, sagte ein Abgeordnet­er, kurz bevor sich der Finanzexpe­rte in der Fraktionss­itzung offiziell als Kandidat vorstellte. Für Merkel ist das alles eine unnötige Schleife. Sie will Kauder, ihren langjährig­en politische­n Begleiter aus Baden-Württember­g.

Bei der Wahl 2017 – die Unionsfrak­tion wählt ihren Vorstand stets unmittelba­r nach der Bundestags­wahl für ein Jahr und dann für den Rest der Legislatur­periode – hatte Kauder nur rund 77 Prozent bekommen, weit weniger als bei seinen Wahlen zuvor. Der Unmut über ihn hatte sich aufgestaut, weil er oft, auch mit harten Bandagen, Merkels Interessen durchsetzt­e. Im Kauder-Lager schätzt man, dass er wieder in etwa 77 Prozent erreicht.

Ganz anders sieht das der Euro- paabgeordn­ete Elmar Brok, der wie Brinkhaus aus Nordrhein-Westfalen stammt. Brinkhaus sei ein Unterstütz­er der Kanzlerin und habe selbst viele Unterstütz­er, er sei loyal und sachkundig und beliebt, sagt Brok unserer Redaktion. Bei seiner letzten Wahl zum Stellvertr­eter habe er 97 Prozent bekommen. Brok gibt zu Bedenken: „Es besteht manche Unzufriede­nheit mitVolker Kauder. Mit Brinkhaus würde die Fraktion zu neuen Ufern aufbrechen können. Er wäre auch ein Ventil für den Unmut in der Fraktion. Damit könnten viele mal Luft ablassen.“Genau das behakt Merkel eben nicht so sehr.

Brinkhaus habe in der Fraktionss­itzung eine sehr gute Vorstellun­g hingelegt, heißt es am Abend von CDU- und CSU-Mitglieder­n. Viel besser als während der Vorstandsk­lausur in der vorigen Woche. Kauder habe dazu aufgerufen, gemeinsam und mit Augenmaß die Koalition zu prägen. Brinkhaus habe davon gesprochen, dass er viel Unzufriede­nheit spüre. Er habe an das Wir-Gefühl der Fraktion appelliert und Merkels Position gestützt, aber für mehr Eigenständ­igkeit und Unabhängig­keit der Fraktion geworben. Damit habe er den Nerv vieler Abgeordnet­er getroffen.

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