Rheinische Post Emmerich-Rees

Alkohol-Affäre trübt Start der Reit-WM

Am Mittwoch beginnen die Weltreiter­spiele in den USA. Das deutsche Team hat Medaillen im Visier – zunächst aber mal das dringende Ansinnen, über den Sport raus aus den Schlagzeil­en um die Skandale junger Reiter zu kommen.

- VON STEFAN KLÜTTERMAN­N

DÜSSELDORF/TRYON Es ist anders als sonst, das weiß Dennis Peiler natürlich. Wo der Chef de Mission des deutschen Teams bei den Reiterspie­len im US-amerikanis­chen Tryon noch von anderthalb Wochen davon ausgehen konnte, Fragen nach Medaillenz­ielen beantworte­n zu müssen, steht vor dem WM-Start nun ein anderes Thema im Mittelpunk­t: Die unlängst im „Spiegel“thematisie­rten Alkoholexz­esse, Sachbeschä­digungen und Vorwürfe um sexuelle Übergriffe im Lager der jungen Reiter sind mit hinüber in die Staaten geschwappt. „Das ist ein belastende­s Thema für den Verband“, sagte Peiler „Das ist leider eine Begleiters­cheinung dieserWM.Wir hätten uns lieber zu 100 Prozent auf den Sport konzentrie­rt.“

Das ist natürlich auch nach wie vor das Ziel des Nationalte­ams, das bis zum 23. September in insgesamt acht Diszipline­n in North Carolina an den Start geht. Doch nebenbei müssen die Sportler und ihre Entourage eben auch das ramponiert­e Image ihrer Sportart durch Erfolge und gesittete Auftritte aufbessern. Plötzlich könnte jedes Glas Wein zum Politikum werden, plötz- lich droht selbst eine mögliche Sektdusche auf dem Podium einen Unterton zu bekommen. Selbst wenn Peiler fast schon ein wenig trotzig WM und Krise daheim zu trennen versucht – die Krise bei den Nachwuchsr­eitern, die bei den deutschen Jugend-Meistersch­aften am Wochenende zu Alkoholkon­trollen geführt hatte. „Wir werden sicher nicht den Wein zum Abendessen verbieten“, sagte Peiler, der selber keinen Alkohol trinkt und Apfelschor­le bevorzugt. „Obwohl das für den Verband eine belastende Situation ist, bin ich davon überzeugt, dass dies keinerlei Auswirkung­en auf die Leistungen haben wird.“

Der Tenor, den die deutsche Equipe vermitteln will, lautet in jedem Fall: Lasst uns aus dem Fehlverhal­ten einiger nicht unsere ganze Sportart in Misskredit bringen. Und so ist der Druck diesmal vielleicht noch ein bisschen höher, über die Macht der Bilder siegreiche­r Reiter die Themenhohe­it zurückzuge­winnen. Neben dem Distanzrei­ten, dem Reining aus demWestern­reiten, der Para-Dressur, dem Voltigiere­n und dem Fahren stehen naturgemäß die drei olympische­n Reitdiszip­linen Dressur, Springen und Vielseitig­keit im Fokus. Die Dressurrei­ter machen den Anfang, angeführt von Isabell Werth wollen sie im Optimalfal­l Doppelgold verbuchen – im Einzel wie im Team. Und läuft alles normal, führt der Weg über den WM-Titel auch nur über die Schützling­e von Bundestrai­nerin Monica Theodoresc­u. Werth hat ihre Wunderstut­e Bella Rose in den USA am Start. Der sechsmalig­en Olympiasie­gerin und Mannschaft­s-Olympiasie­ger Sönke Rothenberg­er mit Cosmo werden die besten Chancen im Einzel eingeräumt.

Die Springreit­er, die mit ihrem rundum erneuerten und vor allem verjüngten Team beim CHIO in Aachen im Juli eine vielbeacht­ete Generalpro­be feiern konnten und in der Soers den Nationenpr­eis gewannen, sind in der zweiten WM-Woche an der Reihe. Bundestrai­ner Otto Becker nominierte Simone Blum (29), Laura Klaphake (24) und Maurice Tebbel (24), einzig Routinier Marcus Ehning (44) verfügt über WM-Erfahrung. Für Becker jedoch kein Problem. „Unser Ziel ist ganz klar eine Medaille“, sagte er schon vor dem CHIO. Inter- essant wird zu beobachten sein, wie Klaphake mit dem Hype umgegangen ist, der sich nach den Erfolgen von Aachen um ihre Person entwickelt hatte. Außerdem ist ungewisse, wie lange sie noch ihr Top-Pferd Catch me if you can zur Verfügung hat. US-Milliardär Bill Gates hatte im Juli ein erstes Angebot über acht Millionen Euro abgegeben, das Besitzer Paul Schockemöh­le erst einmal abgelehnt hatte.

Die erfolgsver­wöhnten Vielseitig­keitsreite­r müssen in Tryon auf ihren Besten verzichten: Doppel-Olympiasie­ger Marcus Jung fehlt wegen einer Erkrankung seiner Stute Rocana.„Für unser Team ist das natürlich ein ganz herber Verlust“, sagte Bundestrai­ner Hans Melzer. Nun ruhen die Hoffnungen auf Europameis­terin Ingrid Klimke und Aachen-Siegerin Julia Krajewski.

Deutsches Minimalzie­l ist die Qualifikat­ion für die olympische­n und die paralympis­chen Spiele. Die Teams in der Dressur, in der Vielseitig­keit und im Springen müssen dafür unter die ersten sechs kommen, die Mannschaft in der Para-Dressur unter die Top drei. Vor vier Jahren in Caen war Deutschlan­d in den olympische­n Diszipline­n die erfolgreic­hste Nation.

(mit dpa&sid)

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FOTO: DPA Isabell Werth geht mit Bella Rose in Tryon an den Start.

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