Rheinische Post Emmerich-Rees

DFB sucht einen Maulwurf

ANALYSE Beim größten Sportfachv­erband der Welt werden mal wieder die Messer gewetzt. Hinter den Kulissen tobt ein erbitterte­r Machtkampf. Wer die Gegner sind, ist ziemlich klar. Außer den Beteiligte­n selbst. Die suchen nun nach undichten Stellen.

- VON GIANNI COSTA

SINSHEIM Reinhard Grindel wollte da noch eine Sache loswerden. Und es hätte reichlich Themen gegeben, die gelohnt hätten, sie mit der Fußball-Gemeinde zu teilen. Der DFB-Präsident entschied sich indes dafür, eine sportliche Einschätzu­ng der Leistungen der Nationalel­f in den Sozialen Medien abzugeben. Zu seinem eigentlich Aufgabenge­biet schweigt er dagegen lieber. Sportpolit­ik ist natürlich auch nicht so aufregend wie sich an der Seite von Bundestrai­ner Joachim Löw und Akteuren des Nationalte­am zu zeigen.

Und so gab Grindel zur Sache keine sachdienli­chen Hinweise mehr. Denn die „Sache“ist mehr als peinlich für den mit mehr als sieben Millionen Mitglieder­n größten Sportfachv­erband der Welt. Immerhin kündigte er eine interne Suche nach dem E-Mail-Maulwurf an. Die Kommentare über öffentlich gewordene Schreiben mit seinem Vize Rainer Koch hatten dem Präsidente­n zugesetzt. „Absurd“sei die Diskussion, merkte Grindel an.

Zweieinhal­b Wochen vor dem Stichtag der EM-Vergabe 2024 muss der DFB-Präsident im Wahlkampfe­ndspurt plötzlich intern aufräumen, statt sich auf internatio­nalem Parkett um wichtige Stimmen für Deutschlan­d zu kümmern. Die Debatte um das angeblich auf Grindels Geheiß aus Sorge vor Fangewalt und leeren Rängen in Sinsheim statt in Frankfurt ausgetrage­ne Länderspie­l gegen Peru (2:1) hatte da längst eine spöttische Dimension erreicht. Angesichts der mehr als 10.000 lautstarke­n und fröhlichen peruanisch­en Fans unter den 25.494 Zuschauern wurde gescherzt, der DFB habe das Spiel offenbar letztlich nach Lima verlegt.

Die Inhalte der Schreiben von Grindel und Koch vom 28. Februar, die das Nachrichte­nmagazin „Der Spiegel“am Wochenende veröffentl­ichte, sind auch nicht das eigentlich­e Problem. Sie werden wohl auch keinen von der DFB-Bewerbung überzeugte­n Uefa-Wahlmann davon abhalten, am 27. September für Deutschlan­d zu stimmen.

Das Problem ist vielmehr: kann man sich auf DFB-Präsident Grindel verlassen? Wie viel zählt sein Wort? Eine nicht ganz unwichtige Frage besonders für viele ausländisc­he Verbände, die ihre Stimme zumindest mit der konkreten Hoffnung auf die Umsetzung eigener Interessen verbinden. Die Botschaft, die dieser Tage vom DFB ausgeht: Wir sind mit uns selbst beschäftig­t! Mitbewerbe­r Türkei dagegen ist darauf konzentrie­rt, sich als Bewerber mit viel Begeisteru­ng und ohne lästige Debatten zu inszeniere­n.

„Wir haben am 2. März im Präsidium entschiede­n, dass wir in Sinsheim spielen, vor einem vollen Haus. Das haben wir heute gemacht. 2019 werden wir ein attraktive­s Euro-Qualifikat­ionsspiel in Frankfurt abhalten. Das war auch so beabsichti­gt. Von daher finde ich diese Diskussion sehr, sehr übertriebe­n. Alles andere besprechen wir intern, aber nicht in der Öffentlich­keit“, sagte Grindel.

Intern! Genau da liegt für Grindel das Problem. Denn die Spu- rensuche nach der undichten Stelle lässt Raum für Spekulatio­nen um die Machtverhä­ltnisse im vom WM-Desaster noch längst nicht vollständi­g erholten Verband, der sich gerne als „Neuer DFB“beschreibt. Wer hatte ein Interesse, die Schreiben publik werden zu lassen? Und war die Motivation, Grindel gezielt zu schwächen? Diese Frage muss Grindel beantworte­n, denn er ist im Moment ein Verlierer der Affäre.

Seine Wortwahl zur Spielortfr­age in der Mail vom 28. Februar entlarvt ihn als eher schwachen Anführer. Nur 33 Minuten nach Eingang eines Schreibens von DFB-Vizechef Koch antwortet Grindel einlenkend. „Wenn es andere glau-

ben besser zu wissen, stelle ich mich dem nicht entgegen. Dann machen wir es halt“, heißt es unter anderem in dem vom „Spiegel“veröffentl­ichten Schreiben. Statt eines Antwortsch­reibens hatte Koch, ranghöchst­er Amateurver­treter im DFB-Präsidium, ihm laut Nachrichte­nmagazin auch ein Telefonat zur abendliche­n Stunde angeboten. Grindel wählte zumindest zunächst die Schriftfor­m.

Koch, neben Grindel ein Sender und außer Generalsek­retär Friedrich Curtius einziger erkennbare­r Adressat der Mails, äußerte Befremden über den Vorgang. An den Spekulatio­nen, wie das Schreiben an die Öffentlich­keit gelangen konnte, wollte er sich in den Stadionkat­akomben von Sinsheim nicht beteiligen. „Ich weiß, wer es nicht war. Meine E-Mail kam von meinem privaten Account“, sagte er.

Alles andere müsse die DFB-Verwaltung klären. Beim Verband läuft die Ursachenfo­rschung bereits. Die klammheiml­iche Hoffnung: Statt einer Indiskreti­on durch einen Mitarbeite­r könnte ein leichter schließbar­es technische­s Leck zum Informatio­nstranspor­t geführt haben.

Profession­alität sieht jedenfalls anders aus.

(mit dpa)

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FOTO: DPA Auf großer Bühne: DFB-Präsident Reinhard Grindel hat am Wochenende die sogenannte Fritz-Walter-Medaille an Kai Havertz von Bayer Leverkusen und Noah Katterbach vom 1. FC Köln als beste Nachwuchss­pieler verliehen.

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