Eigentor des Weltverbandes
Kann es ein vernichtenderes Urteil über die Weltreiterspiele in den USA geben als die Feststellung, dass es gar keines Wirbelsturms bedurft hätte, um die Veranstaltung in Tryon im Chaos versinken zu lassen? Wohl kaum. Und in der Tat schienen die Organisatoren in North Carolina mit den Titelkämpfen überfordert, lange bevor Florence heranflog. Das große Spektakel des globalen Reitsports verkommt so zur bemitleidenswerten Posse.
Was dabei am meisten verwundert: Die Schlagzeilen aus Tryon erinnern eher an die von den Olympischen Spielen 2016 in Rio als an ein Top-Sportereignis in einer der führenden Industrienationen. Pfleger, die in Zelten schlafen müssen, weil Unterkünfte nicht fertig geworden sind. Toiletten, die nicht funktionieren. Herumliegender Müll. Dazu ein Distanzrennen, das wegen Fehlern der Organisatoren zuerst neu gestartet werden musste, schließlich abgebrochen wurde, und nach dem ein Pferd tot ist und 53 behandelt werden mussten.
Unter dem Strich hat sich der Weltverband FEI ein großes Eigentor damit geschossen, Tryon vor zwei Jahren als Ersatzkandidat für das kanadische Bromont einspringen zu lassen. In so kurzer Zeit hätte – das ist keine wirklich bahnbrechende Erkenntnis – nur ein etablierter Standort eine WM stemmen können. Allein: Es fehlt generell an Standorten, die das Mammutprogramm mit allen acht Disziplinen ausrichten wollen.
Für die Spiele 2022 wird noch ein Gastgeber gesucht. Und nach den Erfahrungen von Tryon dürften neue Bewerber kaum Schlange stehen.
STEFAN KLÜTTERMANN