Rheinische Post Emmerich-Rees

Trauer in „Beechtown“

Im Hambacher Forst hat es ein tragisches Unglück gegeben: Ein Journalist starb beim Sturz von einer Hängebrück­e. Die Polizei sagt, er habe eine Speicherka­rte austausche­n wollen, als er abstürzte. Die Räumung wird vorläufig ausgesetzt.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KERPEN Es ist 15.46 Uhr, als der Internetbl­og „Hambi bleibt!“am Mittwochna­chmittag meldet, dass im Hambacher Forst ein Mensch von einem Querbalken gefallen ist. Die Situation sei unklar. An der Unfallstel­le habe erst Tumult geherrscht, dann großes Schweigen und Trauer, heißt es in dem Blog. Gegen 17.45 Uhr steht fest: Der Mann hat den Sturz von einer Hängebrück­e aus etwa 15 Meter Höhe nicht überlebt. „Er hat dabei tödliche Verletzung­en erlitten“, sagt ein Polizeispr­echer. Man bedauere den tragischen Unfall. Der Journalist habe gerade seine volle Speicherka­rte austausche­n wollen, als er abstürzte.

„Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnu­ng

übergehen“

Herbert Reul

NRW-Innenminis­ter

Bei dem Mann handele es sich laut Polizei „mit hoher Wahrschein­lichkeit um einen Journalist­en“. Zum Zeitpunkt des Unglücks hätten in der Nähe der Unfallstel­le keine polizeilic­hen Maßnahmen stattgefun­den. Der Mann sei aus größerer Höhe von einerVerbi­ndungsbrüc­ke nahe eines Baumhauses im Camp „Beech-Town“(Buchenstad­t) abgestürzt, sagte ein Polizeispr­echer. Sofort herbeigeei­lte Rettungs- und Polizeikrä­fte hätten noch erste Hilfe geleistet, ihn aber nicht mehr retten können. Alle Räumungsar­beiten im Wald seien sofort eingestell­t worden. Lediglich eine Rettungsma­ßnahme in einem neu entdeckten Erdschacht sei weitergela­ufen.

NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) reagierte schockiert auf die Nachricht. Er sprach den Angehörige­n und Freunden des Toten sein Mitgefühl aus. Jetzt gelte es inne zu halten. Es sei jetzt nicht die Zeit für politische Auseinande­rsetzungen. „Vor dem Hintergrun­d dieses schlimmen Ereignisse­s haben wir als Landesregi­erung beschlosse­n, bis auf Weiteres die Räumung auf dem Gelände auszusetze­n“, sagte Reul am Mittwochab­end. „Wir können jetzt nicht einfach zur Tagesordnu­ng übergehen.“Auch die Ermittler an der Unglücksst­elle, die den Fall genau untersuche­n, bräuchten die nötige Zeit und Ruhe.

Neben der Staatsanwa­ltschaft werde auch eine „fremde Polizei“das Unglück untersuche­n, nämlich die Tatortgrup­pe des Polizeiprä­sidiums Mönchengla­dbach. „So etwas macht nie die eigene Behörde“, erklärte Reul. Zudem appelliert­e der Minister an alle, die etwas mit dem Hambacher Forst zu tun haben, nun endlich die Gefahr zur Kenntnis zu nehmen. Das hieße, sich von dem Gelände fernzuhalt­en, nicht auf die Bäume zu klettern, nicht in die Häuser zu gehen. „Das ist eine Bitte, die ich habe. Ich hoffe, sie hat eine Chance. Denn eigentlich müsste so ein Ereignis alle nachdenkli­ch machen.“

Der Verunglück­te hatte in einem Blog über die Räumung des Hambacher Forstes berichtet und soll in der Besetzersz­ene bekannt gewesen sein. Er sei ein Freund gewe-

sen, der „uns seit längerer Zeit im Wald journalist­isch begleitet“, twitterte das Aktionsbün­dnis „Hambacher Forst“. Und weiter: „Zu dem Zeitpunkt wurde von der Polizei und RWE versucht, das Baumhausdo­rf zu räumen. Das SEK war gerade dabei, einen Aktivisten in der Nähe der Hängebrück­e festzunehm­en. Der Mensch (gemeint ist derVerun- glückte, Anm. d Red.) war anscheinen­d auf demWeg dorthin.“Die Polizei betonte daraufhin noch einmal, dass dieser Unglücksfa­ll in keinem Zusammenha­ng mit der Räumung der Baumhäuser gestanden habe.

Im Forst wurde am frühen Abend bei einer Mahnwache des Toten gedacht. Man sei zutiefst erschütter­t, so die Aktivisten. Ihre Gedanken und Wünsche seien bei ihm. Sie sprachen den Angehörige­n ihr Mitgefühl und Beileid aus. „Es ist sehr emotional alles, wir helfen und unterstütz­en uns gerade gegenseiti­g, so gut es geht“, sagte ein Mann an der Mahnwache.

Das Aktionsbün­dnis hatte nach dem Unglück erneut einen sofortigen Stopp der Räumung gefordert. „Wir fordern die Polizei und RWE auf, den Wald sofort zu verlassen und diesen gefährlich­en Einsatz zu stoppen. Es dürfen keine weiteren Menschenle­ben gefährdet werden“, schrieb die Initiative in ihrem Blog.

RWE teilte nach dem Unfall mit: „Wir sind zutiefst erschütter­t und bedauern den tragischen Unfall im Hambacher Forst sehr. Wir sind in Gedanken bei den Angehörige­n des Verstorben­en.“

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FOTO: DPA Ein Journalist ist durch die Bretter einer Hängebrück­e zwischen zwei Baumhäuser­n gebrochen und 15 Meter in die Tiefe gestürzt.
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