„Niemand will die Fraktion spalten“
Der Fraktionsvize über enttäuschte CDU-Wähler und Veränderungen in der Union.
Herr Brinkhaus, als zentrale Herausforderung für die Politik bezeichnen Sie den Zusammenhalt der Gesellschaft. In den letzten Jahren ist viel kaputt gegangen. Wie wollen Sie die Spaltung der Gesellschaft überwinden?
BRINKHAUS Das ist eine Gesamtaufgabe unabhängig davon, wer Fraktionsvorsitzender wird.Wir müssen einen neuen Anlauf nehmen, mit denjenigen ins Gespräch zu kommen, die sich von uns abgewandt haben.
Wie?
BRINKHAUS Wir dürfen uns nicht anbiedern und auch nicht unsere Werte aufgeben. Wir müssen ihnen aber sagen:Wir verurteilen euch nicht. Wir nehmen euch ernst. Wir wollen wissen, was eure Sorgen und Nöte sind. Nur so können wir mit ihnen ins Gespräch kommen. Mit diesem Verständnis können wir die Menschen wieder für uns gewinnen – und natürlich auch, indem wir sie an den richtigen Stellen unterstützen, wie etwa mit dem Baukindergeld.
Von der Spaltung der Gesellschaft zur Spaltung der Unionsfraktion. Sie sind der erste Gegenkandidat von Amtsinhaber Volker Kauder – jemals. Werden die CDU- und CSU-Abgeordneten nach der Vorstandswahl am 25. September zerrissen sein?
BRINKHAUS Weder Volker Kauder noch ich wollen die Fraktion in zwei Lager spalten. Wir werden das – unabhängig vom Ausgang – danach zusammen hinbekommen und gemeinsam die anstehenden politischen Projekte angehen. Im Übrigen gehen alle sehr demokratisch und respektvoll mit dieser ungewohnten Situation um.
Herr Kauder gilt auch als Zuchtmeister der Fraktion, der die Reihen in Krisen schließen kann, um die Regierung zu stabilisieren. Haben Sie das auch im Kreuz?
BRINKHAUS Ich persönlich habeVolker Kauder nicht als Zuchtmeister wahrgenommen. Die Aufgabe des Fraktionsvorsitzenden ist es, die Fraktion zusammenzuhalten. Wir sind heterogen – von konservativ bis zur linken Mitte; haben aber das gleiche Wertefundament. Diese Vielfalt ist gerade unsere Stärke als Volkspartei. Wir müssen immer wieder Brücken bauen. Wir dürfen uns als Fraktion aber auch einmal die Freiheit nehmen, an der einen oder anderen Stelle eine andere Position als die Regierung zu beziehen.
Sind sie enttäuscht, dass sich die Kanzlerin wieder für Volker Kauder als Fraktionschef ausgesprochen hat?
BRINKHAUS Aufgrund ihrer langjährigen Verbundenheit mit Volker Kauder kann ich es gut verstehen, dass sie ihn vorschlägt. Ich hätte es mir anders gewünscht, aber ich bin nicht enttäuscht darüber. Es ist jetzt die große Herausforderung, innerhalb der Wahlperiode einen Prozess in Gang zu bringen, der dazu führt, dass es mit der Union langfristig erfolgreich weitergeht. Das ist die spannende Frage, ob uns das gelingt. In der Partei hat das jetzt Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer angestoßen. Es gibt neue Gesichter in der Bundesregierung. Jetzt geht es darum, wie sich die Fraktion aufstellt.
Ihr Landesvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, Ministerpräsident Armin Laschet, hatte gesagt, die NRW-CDU sei in der Bundespolitik schon gut vertreten, da müsse es nicht auch noch die Fraktionsspitze im Bundestag sein. Das war jetzt auch keine Unterstützung für Sie.
BRINKHAUS Über diese Aussage war die Freude in vielen Teilen der NRWCDU sehr übersichtlich. Aber wir beide haben das geklärt.