Koalition auf dem Weg durchs Labyrinth
Wie Angela Merkel, Horst Seehofer und Andrea Nahles die Koalition noch einmal retteten.
Olaf Scholz ist aufs Land gefahren. Raus zur Basis. Irgendwie muss man die Menschen doch noch erreichen. Wenigstens den eigenen Leuten die Lage erklären, die draußen im Land nur noch als eines wahrgenommen wird: als heilloses Chaos einer Regierung in Auflösung. Der Ort passt: das Zentrum für Luftund Raumfahrt inWildau bei Berlin. Eine Koalition gleich auf den Mond schießen? Scholz spricht ein Grußwort an die Brandenburg-SPD, die im kommenden Jahr durch einen harten Landtagswahlkampf muss. Nach einer aktuellen Umfrage liegen SPD und AfD dort mit 23 Prozent gleichauf.
Der Vize-Kanzler und SPD-Vize verteidigt Parteichefin Andrea Nahles in der Causa Maaßen. „Starke Leistung“. Wie bitte? Das muss Scholz erklären. Es sei richtig gewesen, dass sich die SPD für Ablösung von Verfassungsschutzchef HansGeorg Maaßen eingesetzt habe. Allerdings sei eine Lösung herausgekommen, die in der Bevölkerung nicht verstanden worden sei: die Beförderung von Maaßen zum Staatssekretär.
Am späten Freitagnachmittag dann der Brief von Nahles an CDU-Chefin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer. Der Versuch eines Auswegs aus dem Irrweg. Scholz in Wildau: „Es ist eine starke Leistung von Andrea Nahles gewesen, daraufhin neueVerhandlungen zu verlangen.“
Merkel stimmt zu, Seehofer versperrt sich ebenfalls nicht – zunächst. Stellt dann aber via „Bild am Sonntag“Bedingungen. Spiel verzö- gern, Zeit gewinnen. Man kennt das von Seehofer. „Es wird erst ein Treffen der Parteivorsitzenden geben, wenn ich weiß, was die Forderungen der SPD sind und wie eine Einigung mit der Union funktionieren könnte“, so der CSU-Chef zu den selbst erklärten Voraussetzungen für ein Gespräch mit Merkel und Nahles.
Bevor jemand sagen kann, ob es überhaupt zum Treffen der CDU-Chefin mit Seehofer und Nahles kommt, wird jedenfalls demVernehmen nach heftig telefoniert. Könnte Maaßen doch nur Abtei- lungsleiter im Innenministerium werden? Das will Seehofer nicht akzeptieren, weil er es als Gesichtsverlust sähe, heißt es. Oder wird ein neuer Posten für Maaßen geschaffen? Vieles wird für möglich gehalten. Bei allem schwingt aber mit: Es geht nicht nur um Maaßen. Es geht um die Koalition.
Die nach der Einigung mit Seehofer schwer unter Druck geratene SPD-Chefin muss sich am Montag dem Parteivorstand wie auch den Mitgliedern der Bundestagsfraktion stellen. Ohne greifbares Ergeb- nis, mit dem die SPD gut leben kann, könnte es sehr eng für Nahles werden.
Aber dann wird doch noch im Kanzleramt verhandelt und der staunenden Öffentlichkeit ein Ergebnis präsentiert: Maaßen wird als Abteilungsleiter ins Innenministerium versetzt – ohne Gehaltserhöhung. Das Bemerkenswerteste an der Erklärung, die Seehofer abgibt, aber ist, dass der CSU-Chef bestreitet, die Koalition habe jemals am Rande eines Bruch gestanden. „Jedenfalls bei all den Besprechun- gen, die ich geführt habe, war dies bei keinem Zeitpunkt ein Thema“, betonte Seehofer. Es habe auch niemand mit einem Koalitionsbruch gedroht, weshalb er die Debatte der vergangenen Tage nicht verstanden habe.
Trotzdem: Dass die Koalition erst einmal beruhigt oder gar stabilisiert wäre, ist durch die jüngste Einigung nicht ausgemacht. So liegen CDU und CSU mit der SPD weiter im Clinch über ein Einwanderungsgesetz, das wahlweise Fachkräftezuwanderungsgesetz oder auch Fach-
kräftesicherungsgesetz heißen soll. SPD-Chefin Nahles hatte dazu schon durchblicken lassen, dass es bei diesem Punkt in der Koalition „noch einmal ganz kräftig im Karton rappeln“könnte.
Und auch dem in der Flüchtlingspolitik von der SPD angepeilten „Spurwechsel“, mit dem die Sozialdemokraten abgelehnten, aber gut integrierten Asylbewerbern eine Perspektive auf dem deutschen Arbeitsmarkt geben wollen, lehnen Seehofer und die CSU ab. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble sagte dazu am Sonntag, es sei nicht zu erwarten, dass in Deutschland lebende Asylbewerber in allzu großer Zahl abgeschoben werden könnten. Deswegen müsse es jetzt darum gehen, „diejenigen, die nun einmal hier sind, mit allen Mitteln bestmöglich zu integrieren“, sagte Schäuble der „Welt am Sonntag.“