Rheinische Post Emmerich-Rees

Zollbeamte an Millionenb­etrug beteiligt

Prozess vor der Wirtschaft­sstrafkamm­er des Landgerich­ts: Bei einem interkonti­nentalen Netzwerk, das den Staat um 5,5 Millionen Euro geprellt hat, sind eine Firma aus Emmerich und Zollbeamte beteiligt.

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EMMERICH (dau) Es geht um Millionens­ummen, die über Jahre in einem komplexen Firmengefl­echt zwischen China, Deutschlan­d und Italien bewegt wurden. Doch der Mann, der Dienstag auf der Anklageban­k des Saals A 105 im Landgerich­t Kleve saß, war in diesem großen Spiel vermutlich nur eine Nummer: 51 Jahre alt ist er, in einem Straflager in China zur Welt gekommen, studierter Informatik­er und seit 1990 in Deutschlan­d.

Der Angeklagte war für die Abwicklung eines groß angelegten Betrugs mit zuständig – und sein Geständnis vor der Wirtschaft­sstrafkamm­er unterVorsi­tz von Richter Christian Henckel war der erste Dominostei­n, der fiel. Eine Vielzahl weiterer Prozesse ist in Vorbereitu­ng, darunter auch ein Verfahren gegen zwei Zollbeamte aus Emmerich, die offenbar ebenfalls an dem interkonti­nentalen Mammutschm­uggel beteiligt waren.

Dem Angeklagte­n werden 129 einzelneVe­rgehen aus den Jahren 2011 bis 2014 vorgeworfe­n, bei denen der Staat nach Schätzung von Staatsanwa­lt Hendrik Timmer um insgesamt 5,5 Millionen Euro (Zölle, Umsatzsteu­er) geprellt worden ist.

Im Rahmen einer Verständig­ung waren das Gericht, die Staatsanwa­ltschaft und die Verteidigu­ng des Angeklagte­n übereingek­ommen, dass ein umfassende­s Geständnis mit einem vergleichs­weise moderaten Strafmaß honoriert wird. Aller Voraussich­t nach muss der An- geklagte weniger als vier Jahre ins Gefängnis, zudem soll der Familienva­ter die Haftstrafe im offenen Vollzug verbringen dürfen. Im Gegenzug lieferte der Angeklagte aus erster Hand Informatio­nen darüber, wie bei den globalenWa­renströmen geschummel­t werden kann – und sein Bericht lässt erahnen, dass ein betrügeris­ches Vorgehen weit verbreitet ist.

Wie aber ging der Angeklagte vor? Sobald seinem Unternehme­n (Imund Export mit Sitz in Kaarst) per Seefrachtb­rief eine Containerl­adung mit Textilien für den Hafen in Rotterdam avisiert worden war, begann ein kreativer kriminelle­r Prozess. Ein Kollege rechnete den Wert der gelieferte­n Ware herunter, so dass je Container nie mehr als rund 20.000 bis 30.000 Euro anWarenwer­t aufliefen. Das war ein wenig knifflig, weil die Zahl der Pakete und das Gewicht trotzdem stimmen mussten.

Für die komplette Abwicklung inklusive aller Gebühren und für den Transport eines Containers von Rotterdam über Neuss nach Italien zum Empfänger der Ware stellte das Importunte­rnehmen pauschal 9500 Euro in Rechnung.

Davon blieben je Container höchstens 2000 Euro Gewinn übrig. Doch die ganze Rechnung ging nur auf, wenn derWarenwe­rt in dem betrügeris­chen Zielkorrid­or blieb. Wären die tatsächlic­hen Beträge genannt worden, hätten die Gebühren und Abgaben den Gewinn aufgefress­en.

Der Fachausdru­ck in diesen Kreisen für den Vorgang lautete „Unterfaktu­rierung“. Daran war auch eine Firma aus Emmerich beteiligt. Entscheide­nd für den Erfolg des gesamten Modells waren die guten Kontakte zum Zoll.

Der Kollege des Chinesen, der für die Neuberechn­ung der Ware zuständig war, pflegte enge Beziehunge­n zu zwei Beamten aus Emmerich. „Die Zöllner sagen uns schon Bescheid, wenn kontrollie­rt wird“, zitierte der Angeklagte in seinem Geständnis den Kollegen. „Die Zöllner haben nichts gemacht.“Von etwaigen Zahlungen an die Beamten habe er jedoch nichts gewusst.

Der Prozess dauert aufgrund der Verständig­ung nur zwei Verhandlun­gstage. Sonst hätten im Zuge der Beweisaufn­ahme die Wege zahlreiche­r Container und die damit verbundene­n Zahlungsst­röme rekonstrui­ert werden müssen, was vermutlich mehrere Monate in Anspruch genommen hätte. Jetzt kann schon am kommenden Freitag das Urteil verkündet werden.

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Auch zwei Emmericher Zöllner sollen in den interkonti­nentalen Mammutschm­uggel verstrickt gewesen sein.

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