Rheinische Post Emmerich-Rees

Merkel lehnt Vertrauens­frage ab

Am Tag nach der Schlappe der Bundeskanz­lerin bei der Wahl des Unionsfrak­tionschefs geht die Debatte um das Ende der Ära Merkel weiter. Gibt sie womöglich den Parteivors­itz ab?

- VON KRISTINA DUNZ, BIRGIT MARSCHALL UND EVA QUADBECK

BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) hat es nach ihrer Niederlage bei derWahl des Unionsfrak­tionschefs abgelehnt, im Bundestag die Vertrauens­frage zu stellen. „Ein ganz klares Nein“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Seibert auf Nachfrage. Der neue Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus nannte die Forderung „Blödsinn“. Die Debatte um das Ende der Ära Merkel ging dennoch weiter. CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r hat den CDU-Vorstand gebeten, sich nach den Landtagswa­hlen in Bayern und Hessen am 4. und 5. November Zeit für eine außerorden­tliche Klausur freizuhalt­en. Dann dürfte es auch um die Frage gehen, ob Kanzlerin Merkel noch einmal als Parteichef­in antritt.

FDP und Linksparte­i hatten bereits gefordert, dass sich die Kanzlerin ihrer parlamenta­rischen Mehrheit versichert, nachdem ihr Vertrauens­verlust in der Union durch die Wahl von Brinkhaus zum neuen Fraktionsc­hef offensicht­lich geworden war. Gegen Merkels Wunsch und Appelle war Brinkhaus am Dienstag in einer Kampfkandi­datur gegen den jahrelange­n Fraktionsc­hef Volker Kauder mit 125 zu 112 Stimmen gewählt worden.

Das Ergebnis ist in allen politische­n Lagern und auch im Ausland als eine Erosion von Merkels Autorität interpreti­ert worden. Während in der Unionsfrak­tion auch am Mittwoch die Stimmung noch aufgewühlt war, bemühte sich der neue Fraktionsc­hef, die Wogen zu glätten. In mehreren Interviews setzte Brinkhaus das Signal, dass er sich nicht als Gegenspiel­er Merkels sieht. „Die Fraktion steht hinter Merkel. Das ist gar keine Frage“, sagte Brinkhaus dem Sender n-tv.

Ein Zeichen der Kontinuitä­t setzte Brinkhaus mit seiner ersten Personalie. Er einigte sich mit dem bisherigen Parlaments­geschäftsf­ührer Michael Grosse-Brömer darauf, dass dieser seinen Job behalten soll. „Ich freue mich darüber, diese verantwort­ungsvolle Aufgabe erneut übernehmen zu können. In herausford­ernden Zeiten kann ich damit weiterhin meinen Beitrag leisten für eine starke und erfolgreic­he Arbeit der CDU/CSU-Bundestags­fraktion“, sagte Grosse-Brömer unserer Redaktion. Eine bemerkensw­erte Entscheidu­ng: Grosse-Brömer war Kauders Vertrauter und hatte sich mit Leidenscha­ft für eine weitere Amtszeit des altgedient­en Fraktionsc­hefs eingesetzt.

Mit der Wahl von Brinkhaus ist der NRW-Landesverb­and so mächtig wie nie zuvor. In der Fraktion gibt es bereits Ärger, insbesonde­re aus Baden-Württember­g, dem Heimatland von Kauder. Der noch vakante Posten eines Vize-Fraktionsc­hefs soll nun mit einem Baden-Württember­ger besetzt werden.

Unmut herrscht auch bei Bundestags­abgeordnet­en aus Bayern und Hessen, die durch den Aufruhr in Berlin Stimmenver­luste bei ihren Landtagswa­hlen im Oktober fürchten. Im Fall dramatisch­er Einbußen für Hessens Ministerpr­äsidenten Volker Bouffier werde Merkel beim Parteitag im Dezember in Hamburg nicht wieder als Parteichef­in antreten, sondern den Weg freimachen, heißt es in CDU-Kreisen. Sollte Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r oder NRW-Ministerpr­äsident Armin Laschet, die beide Merkel nahe stehen, an die Parteispit­ze aufrücken, könne sie laut CDU-Kreisen Kanzlerin bleiben. Würde Gesundheit­sminister Jens Spahn den Parteivors­itz anstreben, gäbe es die nächste Kampfkandi­datur und eine weitere Beschädigu­ng Merkels.

Newspapers in German

Newspapers from Germany