Gesucht: das dritte Geschlecht
Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass es mehr als „männlich“und „weiblich“gibt. Das hat auch Folgen für die Arbeitswelt. Stellenanzeigen müssen angepasst werden. Kommunen in der Region reagieren unterschiedlich.
KEVELAER Die Stadt Rees ist aktuell auf der Suche. Interessenten können sich für de Liegenschaftsverwaltung bewerben. Auch die Stadt Emmerich hat Stellenangebote. Offen ist hier eine Position im Allgemeinen Sozialen Dienst. Nicht nur das Angebot an Stellen ist groß, auch die Zahl der Abkürzungen hinter den Anzeigen. Zum üblichen „W“und „M“der früheren Ausschreibungen hat sich jetzt ein „D“gesellt. Eine Abkürzung, unter der sich viele noch nichts vorstellen können, wie der Reeser Stadtsprecher Jörn Franken berichte. „D“steht dabei für „diverse“, was das sogenannte dritte Geschlecht bezeichnet. „In unseren „Wir wollen bei den Ausschreibungen rechts
sicher sein“
Tim Terhorst Stadt Emmerich
Stellenausschreibungen nennen wir aus Gründen der Gleichbehandlung jetzt immer die drei Geschlechter nennen“, sagt Franken.
Hintergrund ist ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2017. Damals entschied der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts, dass es im Geburtenregister neben den Einträgen „männlich“und „weiblich“die Möglichkeit geben muss, ein drittes Geschlecht eintragen zu lassen. Das sei nötig, um die geschlechtliche Identität auch derjenigen zu schützen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.
Kurz nach dem Urteil machten Arbeitsrechtler bereits darauf aufmerksam, dass es künftig nicht mehr ausreichen könnte, in Stellenanzeigen hinter die Position lediglich ein „m/w“(für männlich/weiblich) einzufügen. „Auch wir haben vom kommunalen Arbeitgeberverband den Hinweis bekommen, den dritten Buchstaben in die Bewerbung aufzunehmen“, sagt Emmerichs Stadtsprecher Tim Terhorst. Man sei der Empfehlung gefolgt, um bei den Ausschreibungen rechtssicher zu sein.
Die Kommunen sind vorsichtig, um keine Schadenersatzforderungen zu riskieren. Denn es gibt Personen, die darauf spezialisiert seien, nach dem Antidiskriminierungs-Gesetz zu klagen, um auf diese Weise drei Monatsgehälter zu erstreiten.
Während Rees und Emmerich die Empfehlung bereits umsetzen, fehlt in der aktuellen Ausschreibung der Stadt Straelen der Hinweis auf das dritte Geschlecht. „Wir hatten auch darüber nachgedacht, aber erst einmal davon abgesehen, weil wir auch unsicher waren, was die grammatikalisch richtige Bezeichnung ist“, sagt Bernd Kuse, der für den Bereich Personal zuständig ist. Daher heißt es hier momentan noch: Fachangestellte und Fachangestellter.
Auch beim Kreis Kleve fehlt das dritte Geschlecht in der Stellenausschreibung. Für Kreissprecherin Ruth Keuken kein Problem. „Die Empfehlung des kommunalen Ar- beitgeberverbandes bezieht sich nur auf Klammerzusätze“, sagt sie. In einer aktuellen Ausschreibung wird beispielsweise „eine Fachangestellte/ein Fachangestellter“gesucht. Diese Bezeichnungen würden reichen, da es für eine Anrede in dritter Form noch keine Empfehlung gebe.
Während die Kommunen jetzt erst auf das Urteil reagieren, war die Hochschule Rhein-Waal hier so etwas wie ein Vorreiter. An beiden Standorten der Hochschule in Kleve und Kamp-Lintfort gibt es geschlechtsneutrale Wasch- und Toilettenräume. Die Räumlichkeiten wurden bereits vor der Entschei- dung des Bundesverfassungsgerichts geschaffen. Sie sind also keine direkte Reaktion auf das Urteil von 2017. Die Hochschule plane aktuell eine generelle Veränderung des Layouts ihrer Stellenanzeigen, so Hochschul-Sprecherin Gabriele Stegers. Im Zuge dieses Prozesses soll auch das dritte Geschlecht in die Ausschreibungen aufgenommen werden. „In diesem Kontext ist die Verleihung des Zertifikats ‚Vielfalt gestalten’ des Stifterverbands für die deutsche Wissenschaft an die Hochschule zu Beginn dieses Jahres beispielsweise ein Beleg dafür, dass der Hochschule das Thema Vielfalt wichtig ist.“