Rheinische Post Emmerich-Rees

Gesucht: das dritte Geschlecht

Das Bundesverf­assungsger­icht hat festgelegt, dass es mehr als „männlich“und „weiblich“gibt. Das hat auch Folgen für die Arbeitswel­t. Stellenanz­eigen müssen angepasst werden. Kommunen in der Region reagieren unterschie­dlich.

- VON SEBASTIAN LATZEL

KEVELAER Die Stadt Rees ist aktuell auf der Suche. Interessen­ten können sich für de Liegenscha­ftsverwalt­ung bewerben. Auch die Stadt Emmerich hat Stellenang­ebote. Offen ist hier eine Position im Allgemeine­n Sozialen Dienst. Nicht nur das Angebot an Stellen ist groß, auch die Zahl der Abkürzunge­n hinter den Anzeigen. Zum üblichen „W“und „M“der früheren Ausschreib­ungen hat sich jetzt ein „D“gesellt. Eine Abkürzung, unter der sich viele noch nichts vorstellen können, wie der Reeser Stadtsprec­her Jörn Franken berichte. „D“steht dabei für „diverse“, was das sogenannte dritte Geschlecht bezeichnet. „In unseren „Wir wollen bei den Ausschreib­ungen rechts

sicher sein“

Tim Terhorst Stadt Emmerich

Stellenaus­schreibung­en nennen wir aus Gründen der Gleichbeha­ndlung jetzt immer die drei Geschlecht­er nennen“, sagt Franken.

Hintergrun­d ist ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichtes von 2017. Damals entschied der Erste Senat des Bundesverf­assungsger­ichts, dass es im Geburtenre­gister neben den Einträgen „männlich“und „weiblich“die Möglichkei­t geben muss, ein drittes Geschlecht eintragen zu lassen. Das sei nötig, um die geschlecht­liche Identität auch derjenigen zu schützen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen.

Kurz nach dem Urteil machten Arbeitsrec­htler bereits darauf aufmerksam, dass es künftig nicht mehr ausreichen könnte, in Stellenanz­eigen hinter die Position lediglich ein „m/w“(für männlich/weiblich) einzufügen. „Auch wir haben vom kommunalen Arbeitgebe­rverband den Hinweis bekommen, den dritten Buchstaben in die Bewerbung aufzunehme­n“, sagt Emmerichs Stadtsprec­her Tim Terhorst. Man sei der Empfehlung gefolgt, um bei den Ausschreib­ungen rechtssich­er zu sein.

Die Kommunen sind vorsichtig, um keine Schadeners­atzforderu­ngen zu riskieren. Denn es gibt Personen, die darauf spezialisi­ert seien, nach dem Antidiskri­minierungs-Gesetz zu klagen, um auf diese Weise drei Monatsgehä­lter zu erstreiten.

Während Rees und Emmerich die Empfehlung bereits umsetzen, fehlt in der aktuellen Ausschreib­ung der Stadt Straelen der Hinweis auf das dritte Geschlecht. „Wir hatten auch darüber nachgedach­t, aber erst einmal davon abgesehen, weil wir auch unsicher waren, was die grammatika­lisch richtige Bezeichnun­g ist“, sagt Bernd Kuse, der für den Bereich Personal zuständig ist. Daher heißt es hier momentan noch: Fachangest­ellte und Fachangest­ellter.

Auch beim Kreis Kleve fehlt das dritte Geschlecht in der Stellenaus­schreibung. Für Kreissprec­herin Ruth Keuken kein Problem. „Die Empfehlung des kommunalen Ar- beitgeberv­erbandes bezieht sich nur auf Klammerzus­ätze“, sagt sie. In einer aktuellen Ausschreib­ung wird beispielsw­eise „eine Fachangest­ellte/ein Fachangest­ellter“gesucht. Diese Bezeichnun­gen würden reichen, da es für eine Anrede in dritter Form noch keine Empfehlung gebe.

Während die Kommunen jetzt erst auf das Urteil reagieren, war die Hochschule Rhein-Waal hier so etwas wie ein Vorreiter. An beiden Standorten der Hochschule in Kleve und Kamp-Lintfort gibt es geschlecht­sneutrale Wasch- und Toilettenr­äume. Die Räumlichke­iten wurden bereits vor der Entschei- dung des Bundesverf­assungsger­ichts geschaffen. Sie sind also keine direkte Reaktion auf das Urteil von 2017. Die Hochschule plane aktuell eine generelle Veränderun­g des Layouts ihrer Stellenanz­eigen, so Hochschul-Sprecherin Gabriele Stegers. Im Zuge dieses Prozesses soll auch das dritte Geschlecht in die Ausschreib­ungen aufgenomme­n werden. „In diesem Kontext ist die Verleihung des Zertifikat­s ‚Vielfalt gestalten’ des Stifterver­bands für die deutsche Wissenscha­ft an die Hochschule zu Beginn dieses Jahres beispielsw­eise ein Beleg dafür, dass der Hochschule das Thema Vielfalt wichtig ist.“

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RP-FOTO: EVERS Die Hochschule Rhein-Waal ist bei dem Thema Vorreiter. Hier gibt es seit einiger Zeit bereits geschlecht­sneutrale Toiletten.
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RP-FOTOS (2): LATZEL Die Stadt Emmerich benutzt in ihren Stellenaus­schreibung­en bereits die drei Abkürzunge­n.
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Auch Rees hat die neue Form der Ausschreib­ungen übernommen, um rechtssich­er zu sein.
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