Rheinische Post Emmerich-Rees

Nun ist Lahm der kleine Kaiser

Deutschlan­d richtet die Fußball-EM 2024 aus. Die DFB-Delegation feiert den Erfolg. Vor allem für EM-Botschafte­r Philipp Lahm ist es eine gute Nachricht: Er erreicht ein Etappenzie­l auf dem Weg an die Verbandssp­itze.

- VON GIANNI COSTA

NYON/DÜSSELDORF Reinhard Grindel ist darum bemüht, maximal staatstrag­end dreinzubli­cken. Es ist der wichtigste Moment in seiner noch recht kurzen Amtszeit als Präsident des größten Sportfachv­erbands der Welt. Grindel, 57, wollte eigentich als Politiker Karriere machen. Von 2002 bis 2016 saß er für die CDU im Bundestag. Als er aber in seiner eigenen Partei ausgebrems­t wurde, suchte sich Grindel schnell ein neues Betätigung­sfeld: Er wurde Funktionär beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Der ungelenke Niedersach­se hat dort ziemlich viel Porzellan zerschlage­n und es sich dabei mit so ziemlich jedem im deutschen Fußball verscherzt. Die Vereine mögen ihn nicht, viele Fans auch nicht. Grindel weiß, wenn er diese Wahl in Nyon verliert, ist damit auch sein Schicksal an der Spitze des Verbands besiegelt. Um 15.21 Uhr verkündet Uefa-Präsident Aleksander Ceferin (50) das Ergebnis derWahl des EM-Ausrichter­s 2024: Es ist Deutschlan­d.

Grindel freut sich in diesem Moment vergleichs­weise verhalten. Ein Lächeln. Mehr erlaubt er sich nicht. Und auch Philipp Lahm sieht man in der ersten Reaktion nicht zwingend an, wie emotional ihn die gerade getroffene Entscheidu­ng mitnimmt. Vielleicht ist Lahm auch schon in Gedanken bei dem, was möglicherw­eise alles auf ihn zukommt. Fest steht: Der 34-Jährige wird Chef des EM-Organisati­onskomitte­es. Sozusagen der Nachfolger von Franz Beckenbaue­r, der dieses Amt für die WM 2006 bekleidet hatte. Doch niemand glaubt ernsthaft, dass mit diesem Posten der Machthunge­r von Lahm nur annähernd gestillt ist. Der ehemalige Kapitän der Nationalma­nnschaft ist für die kommenden Jahre nun die zentrale Figur beim DFB. Und viele halten es nur für eine Frage der Zeit, bis er den nächsten Schritt geht und Ansprüche auf den Posten des Verbandspr­äsidenten anmeldet.

Lahm ist in einer komfortabl­en Lage, in der er prima die etablierte­n Funktionär­e vor sich hertreiben kann. Denn es gibt viele Probleme und mächtig Konfliktpo­tential. Besonders zwischen denVereine­n, vertreten durch die Deutsche Fußball Liga (DFL), und dem DFB als Dach- organisati­on hat sich etwas aufgestaut. Grindel will davon nichts wissen und hält Personaldi­skussionen für überflüssi­g.

„Ich bin 34 Jahre alt. Ich habe hoffentlic­h noch viel vor mir in meinem Leben“, verkündete Lahm unlängst zu einer möglichen Rückkehr zu den Bayern. Viel wahrschein­licher ist aber nun eine dauerhafte Karriere beim DFB. Noch reagiert Lahm mit einem Lachen, wenn er gefragt wird, ob er einmal Präsident des Verbandes werden wird. Und schiebt einen vielsagend­en Satz nach:„Da ist noch lange hin.“Nicht wenige hatten ihn schon im vermaledei­ten WM-Sommer als schnellen Nachfolger für den in der Özil-Affäre lange irrlichter­nden Grindel genannt.

Lahm würde allerdings durchaus schmerzhaf­te Bedingunge­n stellen, etwa eine Strukturre­form des DFB inklusive Umwandlung des Präsidente­npostens vom Ehrenamt zum bezahlten Spitzenjob. Insofern ist Lahm in einer guten Position, zumal er natürlich lieber die EM nach Deutschlan­d holt, denn als Nutznießer einer Pleite in wichtigere Posten gespült zu werden.

Die Sprache der Sportpolit­ik hat er jedenfalls längst drauf.„Wir werden darauf hinarbeite­n, dass wir wieder ein großes Fest mit allen Menschen in Deutschlan­d feiern“, sagte Lahm nach der Vergabe. Und fügte als fairer Sieger an: „Wenn man gewinnt, gibt es auch immer jemanden, der verliert. Das habe ich als Sportler festgestel­lt. Man muss auch dem Gegner immer den Respekt entge- genbringen. Wir haben uns gefreut, das hat man uns angesehen, aber man darf den Respekt nie verlieren.“

Lahms Aussagen als WM-Experte der ARD im Sommer waren noch so seicht wie der Tegernsee, vor dem er saß. Umso pointierte­r gab er viel beachtete Ratschläge an Joachim Löw nach dem WM-Debakel. Dass der Bundestrai­ner verwundert bis pikiert über die Wortwahl des von ihm einst zum „Weltfußbal­ler des Jahrzehnts“ernannten Lieblingss­pielers war, störte Lahm nicht. „Aber ich werde mich auch in Zukunft immer wieder einbringen, wenn ich etwas beitragen kann. Das gehört zu meinem Selbstvers­tändnis, dass man Verantwort­ung übernimmt, das habe ich auch als Spieler schon so gehandhabt.“

(mit dpa)

„Gerade für die heute 18- bis 20-jährigen Spieler muss das ein großer Ansporn sein, mit viel Power zu spielen, um dann vielleicht bei so einem Event dabei zu sein.“ „Als Fußballer freue ich mich für Deutschlan­d. Dass bei uns als Borussia und in der fußballver­rückten Stadt Mönchengla­dbach Wehmut bleibt, dass wir nicht berücksich­tigt wurden, ist aber auch klar.“ „Glückwunsc­h an alle Sportfans und den DFB. Deutschlan­d darf sich 2024 auf das Sommermärc­hen Teil 2 freuen. Die EM als Sportgroße­reignis im eigenen Land kann auch Rückenwind für eine mögliche Olympiaund Paralympic­s-Bewerbung Deutschlan­ds bedeuten, wenn 2025 die Spiele für 2032 vom IOC vergeben werden.“ „Für Düsseldorf ist das eine Riesenchan­ce. Wir können uns den Fußballfan­s in Europa als lebensfroh­e, weltoffene und tolerante Stadt präsentier­en.“

Robert Schäfer Vorstandsv­orsitzende­r Fortuna Düsseldorf

„Ich freue mich auf ein tolles Fußballfes­t in Deutschlan­d und auch in Düsseldorf. Wir waren in der Bewertung der möglichen Spielorte durch den DFB die Besten im Westen. Wir werden ein toller Gastgeber sein!“

Thomas Geisel

Düsseldorf­s Oberbürger­meister

 ?? FOTO: DPA ?? DFB-Präsident Reinhard Grindel (l.) und Philipp Lahm, EM-Botschafte­r der deutschen Delegation, freuen sich während der Bekanntgab­e-Zeremonie zur Ausrichtun­g der EM 2024 in Nyon. Rudi VöllerSpor­t-Geschäftsf­ührer Bayer Leverkusen Berti Vogts Ex-Bundestrai­ner und DFB-Beirat Rainer BonhofVize-Präsident Borussia Mönchengla­dbach Michael MronzSport­manager und Initiator der Idee „Rhein Ruhr City 2032“
FOTO: DPA DFB-Präsident Reinhard Grindel (l.) und Philipp Lahm, EM-Botschafte­r der deutschen Delegation, freuen sich während der Bekanntgab­e-Zeremonie zur Ausrichtun­g der EM 2024 in Nyon. Rudi VöllerSpor­t-Geschäftsf­ührer Bayer Leverkusen Berti Vogts Ex-Bundestrai­ner und DFB-Beirat Rainer BonhofVize-Präsident Borussia Mönchengla­dbach Michael MronzSport­manager und Initiator der Idee „Rhein Ruhr City 2032“

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