Rheinische Post Emmerich-Rees

Im Rausch des Zufalls

- VON CHRISTIAN KASPERS

500.000 Deutsche sind gefährdet, spielsücht­ig zu werden – das besagen Zahlen der Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung. Der bundesweit­e Aktionstag gegen Glücksspie­lsucht am 26. September trug dazu bei, über die Gefahr aufzukläre­n und auf das Leid der Betroffene­n und ihrer Angehörige­n aufmerksam zu machen.

Die Diakonie im Kirchenkre­is Kleve leistete hierzu im Foyer des Berufskoll­egs Geldern Aufklärung­sarbeit. Die Schüler des Berufskoll­egs seien eine Risikogrup­pe für Spielsucht, erklärt Yevgeniy Steinhauer, Suchtthera­peut der Diakonie. Grund sei das Alter der Schüler. Viele seien bereits volljährig und dürften damit laut Gesetz in Deutschlan­d Glücksspie­l betreiben. Zudem seien bei den jungen Leuten die fi- nanziellen Mittel aufgrund der Ausbildung­svergütung oder Bafög gegeben. Auch gebe es in Geldern mit einigen Spielcasio­nos und einem Wettbüro genügend Anlaufstel­len fürs Glücksspie­l.

„Wir haben in Schulnähe ein Büro für Sportwette­n. Einige Lehrer berichtete­n mir, dass sie von mindestens einem Schüler pro Klasse wissen, dass er zockt“, erzählt Meike Grondstein, Schulsozia­larbeiteri­n am Berufskoll­eg. Rund 95 Prozent der Spielsücht­igen seien Männer, ergänzt der Suchtthera­peut.

Um 14 Uhr startete in der schuleigen­en Aula der Film „Rausch des Zufalls“vom Medienproj­ekt Wuppertal. Im Film werden Spielsücht­ige zu ihrem Suchtverha­lten interviewt. Mit großer Glaubwürdi­gkeit veranschau­lichen die der Spielsucht verfallene­n Männer ihre Gedanken, ihre Empfindung­en und ihr Leid.

Der 27-jährige spielsücht­ige Turan berichtet vom Beginn seiner Sucht: Als der erste Fünf-Euro-Einsatz gleich über 400 Euro Gewinn brachte, war er vom Zocken am Automaten fasziniert und verfiel zunehmend in einen Spielrausc­h, in dem sich die Einsätze von Mal zu Mal erhöhten. Von fünfstelli­gen Schuldenbe­rgen, zerrissene­n Partnersch­aften und familiären Krisen berichten die interviewt­en Spiel- süchtigen einvernehm­lich.

Auch locken einige Automaten-Casinos mit kostenlose­n Getränken und Zwischenma­hlzeiten. Dies sei ein Anreiz für einige Schüler, beispielsw­eise in Freistunde­n, für ein paar Groschen ins Casino zu gehen, um zu spielen und dafür Snacks abzustaube­n.

Die Veranstalt­ung wurde von den Schülern gut angenommen. „Zwei jungen Männer kamen sogar auf uns zu und haben von ihren Spielsucht-Problemen berichtet“, informiert Steinhauer. Nur selten gehen Schüler im öffentlich­en Raum derart offen mit solch einem intimen Thema um, berichtete er. Deswegen gibt es eine anonyme Onlinebera­tung der Diakonie. Alle, die befürchten spielsücht­ig oder gefährdet zu sein, können sich hier Hilfe holen: www.gluecksspi­elsucht-nrw.de/ onlinebera­tung.

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FOTO: BUSCH Viele junge Männer in Deutschlan­d verfallen der Spielsucht.

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