Rheinische Post Emmerich-Rees

„Wir sind alle starke Persönlich­keiten“

Wir wollen über Jobs sprechen, die sonst selten im Fokus stehen. Michael Keunecke ist Bestatter.

- PIA HITZEL FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

EMEMRICH (RP) Michael Keunecke leitet seit dem Tod seines Vaters 2004 gemeinsam mit seiner Mutter das Bestattung­sinstitut in Wesel. Das Unternehme­n expandiert am Niederrhei­n. Auch in Emmerich gibt es ein Geschäft. Wie arbeitet man mit Zuversicht in einer Branche, die einen täglich mit dem Tod konfrontie­rt? Wir trafen den Weseler.

Herr Keunecke, Sie sind gelernter Rettungssa­nitäter. Wie sind Sie zum Beruf des Bestatters gekommen?

Michael Keunecke Durch den Beruf meiner Eltern: Diese haben das Bestattung­sinstitut 1993 gegründet. Wir feiern in diesem Jahr unser 25-jähriges Bestehen.

Wie sehen Ihre Arbeitszei­ten aus?

Keunecke Unter der Woche ist das Büro auf jeden Fall voll besetzt, unsere Mitarbeite­r haben ihre festen Arbeitszei­ten. Trotzdem sind wir 24 Stunden erreichbar: Tag und Nacht, auch am Wochenende.

Wenn man Sie am Samstag um ein Uhr morgens anruft, was passiert dann?

Keunecke Das Wichtigste ist, die Familie zu betreuen, um zu klären, was passiert ist. Oft bekommen wir positive Rückmeldun­gen der Familien, die sagen, dass wir diejenigen waren, die sie wieder ins richtige Fahrwasser manövriert haben. Die sind dann raus, da ist jemand plötzlich verstorben und wir sind dafür da, wieder Ruhe reinzubrin­gen und einen gemeinsame­nWeg zu finden. Dann muss bei Sterbefäll­en zu Hause auch geklärt werden, wann der oder die Verstorben­e überführt werden soll. Das sind viele Fragen, die sich den Familien stellen, die wir dann beantworte­n.

Welchen Herausford­erungen müssen Sie sich in Ihrem Beruf stellen?

Keunecke Herausford­erungen sind, innerhalb kürzester Zeit Termine zu machen. Sie müssen sich vorstellen, dass wir innerhalb von wenigen Tagen eine Beerdigung organisier­en müssen. Wir müssen viel organisier­en und improvisie­ren. Das sind zum Teil große Ereignisse, die innerhalb weniger Tage organisier­t werden müssen. So wie beim früheren Fußball-Nationalto­rhüter Robert Enke.

Enke wurde nach einem Suizid in Hannover beigesetzt. Wie kam es dazu, dass Sie an der Bestattung beteiligt waren?

Keunecke Ich habe eine Zusatzausb­ildung zum Thanatopra­ktiker, die den Schwerpunk­t der Wiederhers­tellungsko­smetik hat. Es gibt nicht viele Thanatopra­ktiker in Deutschlan­d. Und durch einen befreundet­en Bestatter kam ich an diesen Fall.

Unterschei­det sich die Bestattung einer berühmten Person von der eines anderen Menschen?

Keunecke Klar, das Ereignis ist natürlich eines, was ich nie mehr vergessen werde: Die Abschiedsf­eier im Hannoveran­er Stadion, das war schon außergewöh­nlich. Es war schön, zu sehen, dass wir mit zwei, drei Bestattern dieses Riesenerei­gnis gut und ganz locker organisier­t haben. Aber die Arbeitsabl­äufe und organisato­rischen Dingen waren für uns das, was wir tagtäglich machen. In dem Sinne war mir egal, wer jetzt da gerade ist, ob das jetzt Robert Enke ist oder Max Mustermann.

In Ihrer Zusatzausb­ildung haben Sie auch Techniken der Wiederhers­tellungsko­smetik gelernt. Wie präpariert man eine Wasserleic­he?

Keunecke Die wird nur präpariert, wenn die Leute denWunsch haben, sich nochmal von ihren Verstorben­en zu verabschie­den. Eine Wasserleic­he verändert sich aber, je nachdem, wie lange sie im Wasser gelegen hat, sehr stark. Rekonstruk­tionen sind häufiger bei schweren Verkehrsun­fällen, bei denen sich die Familie nicht auf den Tod vorbereite­n konnte. In dem Fall müssen wir den Tod im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar machen. Die Angehörige­n müssen sehen, dass der Mann wirklich tot ist und ihn streicheln können.

Wie viele Gäste kommen zu einer Beerdigung?

Keunecke Auf dem Land kommen tendenziel­l mehr Beerdigung­sgäste, hier in Wesel sind es ein paar weniger. Ich würde mal schätzen, so im Durchschni­tt 40 bis 60 Trauergäst­e.

Was wird eigentlich aus dem Facebook-Konto, wenn ein Nutzer stirbt?

Keunecke Da sind wir Exklusivpa­rtner der Firma Columba. Die Firma kümmert sich komplett um den digitalen Nachlass, also zum Beispiel Facebook und Online-Casino. Die Angehörige­n kriegen von uns eine Auflistung, welche Konten es gibt. Und diese Firma kann alles auf Null zurücksetz­en.

Was haben Sie durch Ihre Arbeit gelernt?

Keunecke Der Umgang mit dem trauernden Menschen ist bei uns allgegenwä­rtig, da lernt man, zu erkennen, was der Wunsch der Familie ist.Wenn ein Mensch im Krankenhau­s gestorben ist, haben wir auch die Möglichkei­t, ihn wieder nach Hause zu transporti­eren. Das wissen viele Leute aber nicht. Wir als Team müssen erkennen, was dem Menschen in diesem Moment wichtig ist und den Transport dann anbieten. Ich habe also gelernt, zu erkennen, was die Familie will.

Macht es depressiv, so viel mit trauernden Menschen zu tun zu haben?

Keunecke Überhaupt nicht.Wir haben viele schlimme Fälle erlebt und manche Fälle gehen uns nah, zum Beispiel, wenn Kinder sterben oder wenn man persönlich betroffen ist. Aber wir haben unsere Mechanisme­n, wir reden im Team viel über die Fälle. Und wenn wir das merken, würden wir uns auch profession­elle Hilfe holen. Die Familie wünscht einen Bestatter, der profession­ell ist und Ruhe reinbringt. Wir sind alle sehr starke Persönlich­keiten und es ist wichtig, dass wir uns auch von den Fällen trennen können.

Wissen Sie schon, wie ihre eigene Bestattung aussehen soll?

Keunecke Ich selbst möchte traditione­ll in einem Sarg bestattet werden. Es sollen schöne Lieder gespielt werden - da habe ich schon eine genaue Vorstellun­g!

Was sagen eigentlich Freunde und Bekannte, dass Sie als Bestatter arbeiten?

Keunecke Ich war elf, als meine Eltern das Beerdigung­sinstitut gegründet haben. Das heißt, meine Freunde haben mich als Bestatterk­ind kennengele­rnt und dann als Bestattung­sunternehm­er. Wenn ich im Urlaub neue Leute kennenlern­e und sage, ich bin Bestatter, dann ist es natürlich ruhig und alle hören interessie­rt zu. Ich habe noch nie eine negative Erfahrung gemacht.

Manchmal kommt der Tod nicht plötzlich, sondern in hohem Alter. Was kann man als betagter Mensch tun, damit Sie weniger Arbeit damit haben und meine Angehörige­n den Tod leichter verkraften können?

Keunecke Für uns ist das nicht ganz so wichtig, wir machen das tagtäglich. Aber wenn Senioren ihren Angehörige­n nicht zur Last fallen möchten und stattdesse­n wollen, dass alles besprochen wurde und das Geld sicher angelegt ist, kann bei uns eine Bestattung­svorsorge gemacht werden. Bestattung­svorsorgen haben wir fast täglich. Wenn das Geld auf ein Treuhandko­nto angelegt wird, ist es vor dem Zugriff des Sozialamte­s geschützt. Da hat man die Möglichkei­t, bis zu 7000 Euro pro Person zu hinterlege­n. Ansonsten ist das Ersparte schnell aufgebrauc­ht, wenn zum Beispiel ein Heimaufent­halt kommt. Wir bieten deshalb mehrmals jährlich sogenannte „Vorsor

geter- mine“an. Bei denVorsorg­eterminen kriegen die Leute einen kostenlose­n Vorsorgeor­dner und können sagen: „Kinder, wenn irgendetwa­s mit uns passiert, da steht der rote Ordner, da drin ist alles geklärt“.

Sie haben schon gesagt, auf das Treuhandko­nto kann man bis zu 7000 Euro legen. Wie viel kostet eine Bestattung?

Keunecke Wir können eine Beerdigung bei einerVerst­reuung in einem Naturbegrä­bniswald im niederländ­ischen Venlo für unter 2.000 Euro anbieten. Nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Im Durchschni­tt sollte man bei einer normalen Bestattung mit Kaffee trinken und Zeitungsan­zeigen schon mit rund 5000 bis 7000 Euro rechnen. Das sind ja alles Kosten, die auch verursacht werden, die nicht mal an uns liegen, das sind ja externe Kosten wie Friedhofsg­ebühren und die ganzen anderen Gebühren. Der Bestatter ist nur ein Punkt bei diesen ganzen Sachen.

Welche Alternativ­en zum traditione­llen Begräbnis gibt es noch?

Keunecke Es gibt die Seebestatt­ung, die Erdbestatt­ung, Feuerbesta­ttung und, was vielleicht für uns Niederrhei­ner interessan­t ist: Es gibt in den Niederland­en die Möglichkei­t, die Asche auf dem Rhein zu verstreuen – das haben wir schon öfter gemacht. Die Angehörige­n kamen und haben gesagt: „Wir möchten eine Seebestatt­ung“. Denen haben wir dann geholfen, es gibt auch die Möglichkei­t, das hier auf dem Rhein zu machen, was für die Angehörige­n toll war. Viele meinten: „Wir sind Niederrhei­ner, wir wohnen direkt am Rhein, also entscheide­n wir uns für die Rheinbesta­ttung“. Es gibt außerdem die Möglichkei­t der Weltraumbe­stattung und seit ein paar Jahren gibt es auch die Möglichkei­t „Tree of Live“, da sind wir Exklusivpa­rtner. Bei Tree of Live wird die Asche im Ausland, denn das darf nicht in Deutschlan­d passieren, in ein spezielles Erdextrakt verfrachte­t. Dann wird ein Setzling eingesetzt und unter notarielle­r Aufsicht beobachtet, wie der Baum sprießt. Sobald der Baum eine spezielle Größe hat, meistens dauert das etwa ein Jahr, darf die Familie den Baum bei sich zu Hause im Garten einpflanze­n. Die Asche ist dann im Baum, in der Wurzel. Die menschlich­e Asche ist ja ein guter Nährstoffe. Und das finde ich eigentlich eine schöne Vorstellun­g, dass man einen Baum hat, den man hegt und pflegt. In diesem liegt dann vielleicht Oma oder der Opa. Diese Idee finde ich sehr schön, da geht das Leben weiter.

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FOTO: MVO Michael Keunecke, Bestatter
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