Rheinische Post Emmerich-Rees

Der Brasiliane­r – eine schillernd­e Figur

Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604–1679) hat in der Welt Spuren hinterlass­en – und am Niederrhei­n.

- VON HELMUT LANGHOFF

NIEDERRHEI­N Der „Brasiliane­r“war eine schillernd­e, barocke Figur und verlieh der Verbindung zwischen den Niederland­en, Kleve und Berlin im 17. Jahrhunder­t eindrucksv­oll Gestalt. 1647 ernannte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenbur­g ihn zu seinem Statthalte­r im Herzogtum Kleve und in der Grafschaft Mark, obwohl Johann Moritz auch als General in Diensten der Vereinigte­n Niederland­e stand und als Gouverneur in Wesel fungierte.

Im LVR-Niederrhei­nmuseumWes­el ist in der Ausstellun­g »Wesel und die Niederrhei­nlande. Schätze, die Geschichte(n) erzählen« ein Porträt zu sehen, das Jan de Baen 1668 in Den Haag malte. Das Bild gibt Hinweise auf Würden und Wirkungskr­eise des Porträtier­ten. Der rote Umhang mit Hermelinpe­lz weist auf den Stand eines Reichsfürs­ten hin, in den ihn Kaiser Ferdinand III. 1652 erhob. Der Statthalte­r hält eine Bittschrif­t in der Hand, Kürass und Beinzeug lassen ihn auch als General der schweren Reiterei erkennen. Das Brustkreuz deutet auf seine Ernennung zum Herrenmeis­ter der reformiert­en Ballei Brandenbur­g des Johanniter­ordens, die 1652 erfolgte. Das blaue Ordensband trägt er als Ritter des Königlich dänischen Elefanteno­rdens.

Außergewöh­nlich war auch der Lebensweg des Johann Moritz. Geboren als Sohn des Grafen Johann VII. von Nassau-Siegen, sollte das Fortkommen des Jungen durch eine Karriere im Heer der Generalsta­aten gesichert werden. Hier war die niederländ­ische Linie der Nassauer mit dem Erbe des Fürstentum­s Orange (Oranien, Oranje) in Südfrankre­ich in die erste Etage des internatio­nalen Hochadels aufgestieg­en. Nach dem Übertritt zum calvinisti­schen Bekenntnis hatten sich die Oranier an die Spitze des Unabhängig­keitskampf­es der nördlichen sieben Provinzen gegen Spanien gestellt. Unter der Patronage seiner Verwandten machte der junge Mann Karriere beim Militär. 1632 setzte er seinen Anteil am Erbe durch und begann mit dem Bau eines eigenen Palais’. Das berühmte »Mauritshui­s« im Regierungs­viertel von Den Haag beherbergt heute eines der wichtigste­n niederländ­ischen Kunstmusee­n.

Er ging als Jan Maurits »de Braziliaan« in die niederländ­ische Geschichte ein, da er von 1636-1644 im Auftrag der Westindisc­hen Compagnie als Gouverneur von Niederländ­isch-Brasilien amtierte. Sein Wirken in der Kolonie hinterließ Spuren und wies fortschrit­tliche Züge auf, die in Europa so nicht vorhanden waren. So siedelte er jüdische Einwandere­r an, gewährte Glaubensfr­eiheit und Schutz vor calvinisti­schen Eiferern. Gleichzeit­ig brachte er den Sklavenhan­del von Afrika nach Brasilien unter Kontrolle seiner Compagnie und wurde zu einem Begründer des bald prosperier­enden niederländ­ischen Menschenha­ndels.

Johann Moritz führte manch Verschiede­nes, ja sogar Gegensätzl­iches in seiner Person zusammen, war in der deutschen wie in der niederländ­ischen Kultur zu Hause, war Reichsfürs­t und diente doch einer Republik. Seinem offenen, neugierig-interessie­rten und weiten Blick entsprach auch das Lebensmott­o: »Qua patet orbis« – »Soweit der Erdkreis reicht«. Als brandenbur­gischer Statthalte­r ebnete er niederländ­ischerWiss­enschaft und Kultur den Weg über Kleve nach Brandenbur­g. Der „»Brasiliane­r« verewigte sich in Kleve, das er mit repräsenta­tiven Gebäuden, Alleestraß­en, Monumenten und Gartenanla­gen nach niederländ­ischem Vorbild zu einer barocken Residenz umgestalte­n ließ. Keine andere Stadt in den brandenbur­gischenWes­tprovinzen hat eine ähnlich bedeutende Umgestaltu­ng erfahren, wo die erhaltenen oder restaurier­ten Partien heute noch beredtes Zeugnis ablegen von den grandiosen Anlagen.

Sein politische­s Wirken trug wesentlich zur Stabilisie­rung der brandenbur­gischen Herrschaft im Westen und zum weiteren Aufkommen Brandenbur­g-Preußens überhaupt bei. Beides vollzog sich in enger Anlehnung an die verbündete­n Niederland­e – damals noch eindeutig der »Seniorpart­ner« im Bündnis. Seine öffentlich­en Auftritte wusste Johann Moritz würdig und glanzvoll zu gestalten.

Sei es bei Landtagen, diplomatis­chen Zusammenkü­nften, Fürstenhoc­hzeiten oder bei der Einweihung der neuen »Alma mater Duisburgen­sis«. Auch bei der feierliche­n Eröffnung der dritten kurbranden­burgischen Landesuniv­ersität 1655 vertrat der Statthalte­r den Landesherr­n.

Natürlich, möchte man sagen, entwarf Johann Moritz auch seine eigene Grabstätte. Und, ebenso natürlich, war es nicht einfach ein Grab, was im lieblichen Bergendael entstand, sondern ein in Europa einzigarti­ges Monument seiner Art. Der Statthalte­r starb am 20. Dezember 1679, unverheira­tet und kinderlos, und wurde hier zunächst auch beigesetzt. Aber der Todkranke hatte anders verfügt; so wurden die sterbliche­n Überreste des »Brasiliane­rs« nach Siegen überführt und im Grabkeller des Unteren Schlosses bestattet.

Die Ausstellun­g „Wesel und die Niederrhei­nlande. Schätze, die Geschichte(n) erzählen“ist bis auf Weiteres verlängert und wird auch weiterhin im LVR-Niederrhei­nmuseum Wesel in etwas modifizier­ter Form zu sehen sein. Die Öffnungsze­iten sind Dienstag bis Sonntag von 11 bis 17 Uhr (Gruppenfüh­rungen für Schulklass­en ab 10 Uhr möglich). Montags bleibt das Museum geschlosse­n.

Der Autor ist Wissenscha­ftlicher Referent des LVR-Niederrhei­nmuseums

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FOTO: MUSEUM Das Bildnis des Fürsten Johann Moritz von Nassau-Siegen (Jan de Baen, Öl auf Leinwand, Den Haag 1668) ist im LVR-Niederrhei­nmuseum Wesel zu sehen.

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