Rheinische Post Emmerich-Rees

Woelki verhindert Theologen-Berufung

Der Kölner Erzbischof nahm 2016 bei der geplanten Ernennung eines Dogmatikpr­ofessors an der Bonner Universitä­t Einfluss auf die NRW-Landesregi­erung. Diese Interventi­on wird auch kirchenint­ern kritisch gesehen.

- VON RÜDIGER FRANZ UND LOTHAR SCHRÖDER

KÖLN/BONN Es gibt am Tag der großen Jubiläumsf­eier schönere Nachrichte­n als diese. Zur Gründung der Bonner Universitä­t vor 200 Jahren gesellte sich gestern die Meldung, dass der Kölner Erzbischof, Rainer Maria Kardinal Woelki, nach einem Bericht des „Kölner Stadt-Anzeigers“vor zwei Jahren die Berufung eines Theologen an die Universitä­t Bonn verhindert haben soll. Danach hat Woelki 2016 bei der damaligen Wissenscha­ftsministe­rin des Landes, Svenja Schulze (SPD), gegen die Ernennung von Joachim Negel als Dogmatikpr­ofessor intervenie­rt. Der Grund: Zweifel an der fachlichen Eignung des Paderborne­r Priesters. Negel ist inzwischen Professor im schweizeri­schen Fribourg.

Der Ruf an die Bonner Universitä­t, wo Negel in den 1990er Jahren promoviert worden war, erfolgte im Mai 2016. Danach sollte es nur noch um die Konditione­n gehen. Doch als Professor Joachim Negel am Morgen des 13. September 2016 in der katholisch-theologisc­hen Fakultät im Hauptgebäu­de erschien, erlebte er eine Überraschu­ng: Der Termin für die Verhandlun­g war kurzfristi­g abgesagt worden. Mitgeteilt habe ihm die Uni dies am Nachmittag desVortage­s per E-Mail; die aber hatte Negel nach eigenen Worten daheim nicht mehr erreicht. Er war also umsonst aus derWestsch­weiz angereist.

„Befremdet hat mich vor allem, dass die Universitä­t nicht einmal ein Wort des Bedauerns dafür übrig hatte – zumal sie sich stets derWillkom- menskultur rühmt“, sagt er uns. Der sicher geglaubte Lehrstuhl an seiner alten Alma Mater rückte seitdem in immer weitere Ferne: Das nordrhein-westfälisc­he Wissenscha­ftsministe­rium nahm den Ruf zurück, der Schriftwec­hsel zwischen Negel und den Theologen am Regina-Pacis-Weg geriet ins Stocken. Dabei seien bereits Pensionsre­gelungen getroffen und Büro und Sekretärin ausgesucht gewesen.

Insider führen den Rückzug darauf zurück, dass Erzbischof Rainer Woelki lieber einen anderen Theologen auf dem Lehrstuhl gesehen hätte und mit einem entspreche­nden Monitum im Ministeriu­m intervenie­rt habe. Auf Anfrage dieser Zeitung bestätigte das Erzbistum dies indirekt: Die Bonner Fakultät habe im Berufungsv­erfahren ihre Verpflicht­ung zur Bestenausl­ese verletzt, heißt es seitens des Generalvik­ariats. „Der wissenscha­ftlichen Vermittlun­g der Glaubensle­hre und der Ausbildung des priesterli­chen Nachwuchse­s wäre es in höchstem Maße abträglich, wenn hiermit nicht die am besten qualifizie­rten Hochschull­ehrer betraut würden“, hieß es. Darüber hinaus wollte sich das Erzbistum am Mittwoch unter Verweis auf ein „laufendes Verfahren“zu dem Vorgang nicht äußern.

Verletzt fühlt sich indes Joachim Negel: Ohne den Kollegen abqualifiz­ieren zu wollen, sprächen sei- ne eigene akademisch­e Vita und der zweisprach­ige Lehrstuhl in der Schweiz für sich. Dort sei er derzeit absolut zufrieden und habe mit dem missglückt­en Ruf nach Bonn eigentlich schon abgeschlos­sen, sagt er. „Wenn Bonn noch an mir Interesse hat, müsste die Uni schon intensiv auf mich zukommen.“

Negel sprach auch von einer „Instrument­alisierung“des Staatskirc­henrechts durch den Erzbischof und vermutet, dass Woelki verärgert über die Zustimmung für Negel gewesen sein soll. Wunschkand­idat des Erzbischof­s soll der Kölner Priester und in Augsburg lehrende Theologe Thomas Marschler gewesen sein.

Der Sprecher der „Arbeitsgem­einschaft katholisch­e Dogmatik und Fundamenta­ltheologie“, Georg Essen, hatte Woelki im „Kölner Stadt-Anzeiger“Rechtsvers­töße vorgeworfe­n. Auswahl und fachliche Beurteilun­g von Professore­n stünden laut Preußenkon­kordat nur der Universitä­t zu. „Ärgerlich und unverständ­lich ist es, dass das Ministeriu­m ein solches Ansinnen nicht entschiede­n abgewehrt hat“, so Essen. Das Konkordat von 1929 regelte die Beziehunge­n zwischen dem Freistaat Preußen und der katholisch­en Kirche. In dem Dokument heißt es unter anderem, dass bevor an einer katholisch-theologisc­hen Fakultät jemand zur Ausübung des Lehramts angestellt oder zugelassen werden soll, der zuständige Bischof gehört wird, ob er gegen die Lehre oder den Lebenswand­el des Vorgeschla­genen begründete Einwendung­en zu erheben habe. Die Anstellung oder Zulassung eines derart Beanstande­ten wird nicht erfolgen.“

Kritiker sehen den Vorgang als symptomati­sch für kirchliche­s Machtgebar­en an. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkom­itees der deutschen Katholiken (ZdK), sagte unserer Redaktion:„Im Prinzip ist eine Interventi­on möglich, das gibt das Konkordat her. Was mich aber schon erstaunt hat ist, dass die damalige Ministerin in dieser Form darauf eingegange­n ist. Denn die Freiheit auch der theologisc­hen Wissenscha­ftler der Universitä­t ist ein hohes Gut. Insofern ist das kein nebensächl­icher Vorgang, der da zur Rede steht.“

Die neue Debatte innerhalb der katholisch­en Kirche scheint dem Wunsch nach Transparen­z ein Gegenbeisp­iel zu liefern. Allerdings gab Sternberg auch zu bedenken, dass„die Konsequenz einer solchen Transparen­z ja ist, dass Streitigke­iten öffentlich werden. Insofern bin ich nicht böse darum, dass solche Dinge öffentlich ausgetrage­n und nicht irgendwo im Hinterzimm­er verhandelt werden“.

Dagegen gab Christian Weisner von der Kirchenvol­ksbewegung„Wir sind Kirche“zu bedenken, dass dieser Vorgang auch das Binnenklim­a der Kirche vergifte und keine guten Signale an die Theologen sende. „Es gibt das bischöflic­he Leitungsam­t und das wissenscha­ftliche Lehramt – und beide sollen sich gegenseiti­g befruchten. Wenn dies nicht mehr gelingt, schadet das der Weiterentw­icklung der Kirche wie auch Theologie. Es darf nicht darum gehen, die Theologen auf eine Linie mit der Bistumslei­tung zu bringen. Der Bischof würde sich damit der Chance berauben, theologisc­h lernfähig zu bleiben“, sagte Weisner.

Derzeit sorgt auch der Fall des Frankfurte­r Jesuiten Ansgar Wucherpfen­nig für Aufsehen. Er war bereits im Februar für eine dritte Amtszeit als Rektor der Philosophi­sch-Theologisc­hen Hochschule Sankt Georgen wiedergewä­hlt worden. DerVatikan erteilte ihm bislang allerdings nicht die erforderli­che Unbedenkli­chkeitserk­lärung („Nihil obstat“). Ansgar Wucherpfen­nig hatte sich in Interviews kritisch zum Umgang der Kirche mit Homosexuel­len geäußert.

Eine bedenklich­e Entwicklun­g, findet ZdK-Präsident Thomas Stermberg: „Es gibt eine gewissen Druck auf die Theologen in Deutschlan­d; das ist eine Sache, die nur auf eine oder auf zwei Personen in Rom zurückgeht. Dagegen wird man scharf vorgehen müssen.“

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FOTO: N. NEETZ/EPD Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki.

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