Wenn im Konzert der „Ohrwurm“körperlich spürbar wird
KLEVE Manchmal gab es sie doch, diese „Hurz“-Momente, in denen man an Hape Kerkeling und seinen unvergesslichen Neue-MusikSketch denken musste. Die Assoziation liegt nahe bei der Verbindung von klassischem Gesang und zeitgenössischem Lied, wie man sie im Konzert von Sopranistin Irene Kurka und Pianist Martin Tchiba im Mu- seum Kurhaus Kleve auf höchstem Niveau erleben durfte. Das Schöne am Konzert „Ohrwurm… Melodie in der Neuen Musik?!“war, dass die absurd komischen Musikmomente meist auch komisch gemeint waren – und von Kurka mit spitzbübischem Lächeln kommentiert wurden. Meister der skurrilen Überspitzung ist der 1965 geborene Komponist Moritz Eggert. Das machte etwa sein großartiges Lied „Ohrwurm“deutlich, in dem Eggert eine selbst geschaffene Textcollage aus romantischer Lyrik, Abba-Songs und pseudowissenschaftlichen Abhandlungen zum Thema Ohrwurm in raffinierte, vielschichtige Musik kleidet. Glänzend zu dieser humorvollen Stimmung passte Leonard Bernsteins „I hate music!“und die „Zeitungsausschnitte op. 11“des DDR-Komponisten Hanns Eisler (1898-1962) – von Kurka und Tchiba spritzig-frech interpretiert. Andreas Daams‘ Miniaturen „aus dem Tagebuch eines Komponisten“, mit witziger Pointe und zugleich nachdenklich stimmend, huschten fast zu schnell vorüber. Wunderbar zart und geheimnisvoll klangen vier der „schönsten Lieder op. 110“von Michael Denhoff (Jahrgang 1955). Die Akkorde des Klaviers schienen wie Wassertropfen herabzufallen, Kurkas Stimme konnte sich gefühlvoll entfalten.
In die Uraufführung „mit geöffnetem Mund“von Pianist Martin Tchiba wurden sogar zwei Handys integriert: Textdichter Frank Schablewski meldete sich per Whatsapp-Nachricht mit einem Gedicht, Kurka spielte eine Gesangsaufnahme von sich selbst ab, live begleitet vom Klavier. Ein kritischer Kommentar zur Allgegenwärtigkeit des Smartphones in der heutigen Zeit? Jedenfalls ein gelungener Überraschungsmoment im Konzert. Zum Abschluss Moritz Eggerts „Bring me up, bring me down“, laut Komponist die „grausame Sezierung“eines nervtötenden Popsongs. Das war nicht zu viel versprochen. Sängerin und Pianist schonten sich nicht und machten das Wahnsinnige eines verhassten Ohrwurms, der einen fest im Griff hat, körperlich spürbar.