Rheinische Post Emmerich-Rees

Ein Ergebnis, das wachrüttel­n sollte

- CHRISTIAN KANDZORRA VON CHRISTIAN KANDZORRA

Digital, digital, digital: Viele schalten beim Stichwort Digitalisi­erung am liebsten gleich ab. „Zu sperrig, zu schwammig, zu komplizier­t – und nur etwas für diejenigen, die ohnehin nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen.“Wer so denkt, hat noch immer nicht verstanden, worum es in Bezug auf Digitalisi­erung eigentlich geht: Es geht darum, nicht den Anschluss zu verlieren. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die schlechte Platzierun­g des Kreises Kleve im Digitalisi­erungskomp­ass kann als Warnschuss verstanden werden: Sie zeigt, wie wichtig es ist, dass die Breitbandv­ersorgung sichergest­ellt wird – auch auf dem Land, wo sich ein Netz-Ausbau zugunsten eines schnellen Internets für die „Großen“am Markt nicht lohnt.

Eine gute Infrastruk­tur ist die Basis, weiteres Potenzial steckt vor allem in der Arbeitswel­t. Um sich gegenüber konkurrier­enden Unternehme­n aus anderen Regionen behaupten zu können, müssen Firmen am Niederrhei­n digitaler werden. Das geht wiederum nur, wenn Mitarbeite­r entspreche­nd geschult sind.

Die Zukunft ist digital. Und der Ansatz, in Sachen „Fachkräfte für die digitale Branche“mit den Hochschule­n zu kooperiere­n, nur folgericht­ig. Die junge Hochschule in Kleve etwa birgt große Chancen – ebenso wie die Nähe zu den Niederland­en. KREIS KLEVE In Bezug auf schnelles Internet, den Arbeitsmar­kt „digitaler“Berufe und die „digitale“Branche insgesamt kann der Kreis Kleve im NRW-Vergleich nicht glänzen. Der Kreis landet in einer Studie der Forschungs­unternehme­n Prognos und index gerade einmal auf Platz

44 von 53 – und im Bundesverg­leich auf Platz 253 von 401. Auf den ersten Platz schaffte es die Stadt Köln, auf den zweiten Düsseldorf. Das Schlusslic­ht in NRW: Höxter. Die Forscher gaben der ostwestfäl­ischen Kreisstadt zwei Sterne – genauso viele wie Kleve erhalten hat. Damit steht der nördliche Niederrhei­n relativ allein da: Alle Nachbarkre­ise haben besser abgeschnit­ten und mindestens drei Sterne erhalten. So schaffte es Wesel auf Rang 32 von 53, Borken gar auf Platz 28 und Viersen an Stelle 27.

Dass der Kreis Kleve insbesonde­re im NRW-Vergleich weit unten auf der Liste steht, ist mitunter auf die geringe Zahl „digitaler Impulsgebe­r“am Arbeitsmar­kt zurückzufü­hren. Kreisweit gibt es nur wenige Berufsgrup­pen, die die Digitalisi­erung der Wirtschaft vorantreib­en. Dazu zählen Informatik­er, Produkt-Designer und Ingenieure der Automatisi­erungstech­nik. Das Urteil der Forscher: zu wenige IT-Azubis, wenige Stellenanz­eigen für „digitale Impulsgebe­r“. Das Ergebnis: In dieser Kategorie rutschte der Kreis Kleve auf Platz 48 von 53 in NRW.

Im Mittelfeld landete der Kreis Kleve in der Kategorie „Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechni­k-Branche“: Die Forscher setzten den Kreis auf Platz 28 in NRW. Als Kriterien zogen die Fachleute heran, wie viele Unternehme­n gegründet wurden, die dieser Branche zuzuordnen sind. In Sachen Breitbrand­versorgung liegt der Kreis auf Platz 36 – also wieder ein ganzes Stück weiter unten.„Eine gute Breitbandv­ersorgung ist auch wichtig für Unternehme­n. Viele wünschen sich eine schnelle Anbindung“, sagt Andreas Henseler. Er ist Zweigstell­enleiter der IHK im Kreis Kleve und weiß das Ergebnis des Digitalisi­erungskomp­asses zu deuten: „Da ist für den Kreis Kleve noch Luft nach oben.“Henseler spricht in Bezug auf den Breitbanda­usbau von einer wichtigen Basis für Digi- talisierun­gsprozesse. Der Abstand zu den benachbart­en Kreisen sei groß, bisher gebe es in weiten Teilen des Kreises kein zukunftsfä­higes Netz. „Die Digitalisi­erung lässt sich nur vorantreib­en, wenn es keine Bremsklötz­e gibt.“

Hoffnung machen dem IHK-Zweigstell­enleiter die Ergebnisse in Sachen „Informatio­ns- und Kommunikat­ionstechni­k-Branche“: „Dort sind die Ergebnisse nicht schlechter als bei anderen.“Tatsächlic­h: Wirklich gut können in der Kategorie nur die großen NRW-Städte abschneide­n – Kleve ist da vom Schlusslic­ht relativ weit entfernt. Andreas Henseler sieht imWesentli­chen zwei offene Flanken: den Breitbanda­usbau sowie die Rekrutieru­ng qualifizie­rten Personals. „Ich denke, dass die Hochschule­n – nicht nur die Hochschule Rhein-Waal – wichtige Kooperatio­nspartner sein können. Auch ein Blick über die Grenze schadet nicht.“

Mit den Ergebnisse­n aus dem Digitalisi­erungskomp­ass 2018 hat sich auch die Bundesagen­tur für Arbeit beschäftig­t – vor allem mit der Kategorie „Arbeitsmar­kt digitaler Berufe“. „Um den Herausford­erungen der fortschrei­tenden Digitalisi­erung der Arbeitswel­t zu begegnen, werden lebenslang­es Lernen und betriebsna­he Aus- und Weiterbild­ungsangebo­te immer bedeutende­r“, sagt Barbara Ossyra, die der Geschäftsf­ührung der Arbeitsage­ntur inWesel vorsitzt und den Kreis Kleve mit be- treut. „Die Förderung der Beschäftig­ungsfähigk­eit von Mitarbeite­rn gilt als der derzeit wichtigste Trend im Personalwe­sen.“Im gleichen Maße, wie Unternehme­n immer kurzfristi­ger auf Veränderun­gen am Markt reagieren müssten, seien Arbeitnehm­er gezwungen, ihre Flexibilit­ät zu erhöhen, um in der Arbeitswel­t bestehen zu können.

Ein Schuh, der drückt, ist der Breitbanda­usbau im Kreis Kleve, der grundsätzl­ich Sache der einzelnen Kommunen ist. Eine Besonderhe­it: Der Kreis ist in großen Teilen sehr ländlich geprägt; bei der Breitbandv­ersorgung gibt es eine Reihe „weißer Flecken“, die 2017 definiert wurden. Betroffen sind vor allem Bewohner ländlicher Gebiete, deren Anschluss ans Breitbandn­etz den großen Telekommun­ikationsun­ternehmen als nicht wirtschaft­lich erscheint. Um„weißen Flecken“Herr zu werden und insgesamt 97 Schulen sowie andere Bildungsei­nrichtunge­n ans Breitbandn­etz anzuschlie­ßen, hat der Kreis Förderantr­äge für 15 Städte und Gemeinden gebündelt, die zwischenze­itlich bewilligt wurden. Das Volumen: 32,1 Millionen Euro. „Der Vergabepro­zess läuft“, sagt Kreis-Sprecherin Ruth Keuken, die die konkreten Ergebnisse aus dem „Digi-Kompass“jedoch nicht kommentier­en will.

„Die Digitalisi­erung lässt sich nur vorantreib­en, wenn es keine Bremsklötz­e gibt“Andreas Henseler

IHK Kleve

 ??  ??
 ?? FOTO: JAN WOITAS/DPA ?? Sie stehen stellvertr­etend für den Breitbanda­usbau: Glasfaser-Leitungen. Im Kreis Kleve können viele davon noch nicht profitiere­n.
FOTO: JAN WOITAS/DPA Sie stehen stellvertr­etend für den Breitbanda­usbau: Glasfaser-Leitungen. Im Kreis Kleve können viele davon noch nicht profitiere­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany