Ein Ergebnis, das wachrütteln sollte
Digital, digital, digital: Viele schalten beim Stichwort Digitalisierung am liebsten gleich ab. „Zu sperrig, zu schwammig, zu kompliziert – und nur etwas für diejenigen, die ohnehin nichts Besseres zu tun haben, als den ganzen Tag vor dem Computer zu sitzen.“Wer so denkt, hat noch immer nicht verstanden, worum es in Bezug auf Digitalisierung eigentlich geht: Es geht darum, nicht den Anschluss zu verlieren. Im wahrsten Sinne des Wortes. Die schlechte Platzierung des Kreises Kleve im Digitalisierungskompass kann als Warnschuss verstanden werden: Sie zeigt, wie wichtig es ist, dass die Breitbandversorgung sichergestellt wird – auch auf dem Land, wo sich ein Netz-Ausbau zugunsten eines schnellen Internets für die „Großen“am Markt nicht lohnt.
Eine gute Infrastruktur ist die Basis, weiteres Potenzial steckt vor allem in der Arbeitswelt. Um sich gegenüber konkurrierenden Unternehmen aus anderen Regionen behaupten zu können, müssen Firmen am Niederrhein digitaler werden. Das geht wiederum nur, wenn Mitarbeiter entsprechend geschult sind.
Die Zukunft ist digital. Und der Ansatz, in Sachen „Fachkräfte für die digitale Branche“mit den Hochschulen zu kooperieren, nur folgerichtig. Die junge Hochschule in Kleve etwa birgt große Chancen – ebenso wie die Nähe zu den Niederlanden. KREIS KLEVE In Bezug auf schnelles Internet, den Arbeitsmarkt „digitaler“Berufe und die „digitale“Branche insgesamt kann der Kreis Kleve im NRW-Vergleich nicht glänzen. Der Kreis landet in einer Studie der Forschungsunternehmen Prognos und index gerade einmal auf Platz
44 von 53 – und im Bundesvergleich auf Platz 253 von 401. Auf den ersten Platz schaffte es die Stadt Köln, auf den zweiten Düsseldorf. Das Schlusslicht in NRW: Höxter. Die Forscher gaben der ostwestfälischen Kreisstadt zwei Sterne – genauso viele wie Kleve erhalten hat. Damit steht der nördliche Niederrhein relativ allein da: Alle Nachbarkreise haben besser abgeschnitten und mindestens drei Sterne erhalten. So schaffte es Wesel auf Rang 32 von 53, Borken gar auf Platz 28 und Viersen an Stelle 27.
Dass der Kreis Kleve insbesondere im NRW-Vergleich weit unten auf der Liste steht, ist mitunter auf die geringe Zahl „digitaler Impulsgeber“am Arbeitsmarkt zurückzuführen. Kreisweit gibt es nur wenige Berufsgruppen, die die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben. Dazu zählen Informatiker, Produkt-Designer und Ingenieure der Automatisierungstechnik. Das Urteil der Forscher: zu wenige IT-Azubis, wenige Stellenanzeigen für „digitale Impulsgeber“. Das Ergebnis: In dieser Kategorie rutschte der Kreis Kleve auf Platz 48 von 53 in NRW.
Im Mittelfeld landete der Kreis Kleve in der Kategorie „Informations- und Kommunikationstechnik-Branche“: Die Forscher setzten den Kreis auf Platz 28 in NRW. Als Kriterien zogen die Fachleute heran, wie viele Unternehmen gegründet wurden, die dieser Branche zuzuordnen sind. In Sachen Breitbrandversorgung liegt der Kreis auf Platz 36 – also wieder ein ganzes Stück weiter unten.„Eine gute Breitbandversorgung ist auch wichtig für Unternehmen. Viele wünschen sich eine schnelle Anbindung“, sagt Andreas Henseler. Er ist Zweigstellenleiter der IHK im Kreis Kleve und weiß das Ergebnis des Digitalisierungskompasses zu deuten: „Da ist für den Kreis Kleve noch Luft nach oben.“Henseler spricht in Bezug auf den Breitbandausbau von einer wichtigen Basis für Digi- talisierungsprozesse. Der Abstand zu den benachbarten Kreisen sei groß, bisher gebe es in weiten Teilen des Kreises kein zukunftsfähiges Netz. „Die Digitalisierung lässt sich nur vorantreiben, wenn es keine Bremsklötze gibt.“
Hoffnung machen dem IHK-Zweigstellenleiter die Ergebnisse in Sachen „Informations- und Kommunikationstechnik-Branche“: „Dort sind die Ergebnisse nicht schlechter als bei anderen.“Tatsächlich: Wirklich gut können in der Kategorie nur die großen NRW-Städte abschneiden – Kleve ist da vom Schlusslicht relativ weit entfernt. Andreas Henseler sieht imWesentlichen zwei offene Flanken: den Breitbandausbau sowie die Rekrutierung qualifizierten Personals. „Ich denke, dass die Hochschulen – nicht nur die Hochschule Rhein-Waal – wichtige Kooperationspartner sein können. Auch ein Blick über die Grenze schadet nicht.“
Mit den Ergebnissen aus dem Digitalisierungskompass 2018 hat sich auch die Bundesagentur für Arbeit beschäftigt – vor allem mit der Kategorie „Arbeitsmarkt digitaler Berufe“. „Um den Herausforderungen der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeitswelt zu begegnen, werden lebenslanges Lernen und betriebsnahe Aus- und Weiterbildungsangebote immer bedeutender“, sagt Barbara Ossyra, die der Geschäftsführung der Arbeitsagentur inWesel vorsitzt und den Kreis Kleve mit be- treut. „Die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von Mitarbeitern gilt als der derzeit wichtigste Trend im Personalwesen.“Im gleichen Maße, wie Unternehmen immer kurzfristiger auf Veränderungen am Markt reagieren müssten, seien Arbeitnehmer gezwungen, ihre Flexibilität zu erhöhen, um in der Arbeitswelt bestehen zu können.
Ein Schuh, der drückt, ist der Breitbandausbau im Kreis Kleve, der grundsätzlich Sache der einzelnen Kommunen ist. Eine Besonderheit: Der Kreis ist in großen Teilen sehr ländlich geprägt; bei der Breitbandversorgung gibt es eine Reihe „weißer Flecken“, die 2017 definiert wurden. Betroffen sind vor allem Bewohner ländlicher Gebiete, deren Anschluss ans Breitbandnetz den großen Telekommunikationsunternehmen als nicht wirtschaftlich erscheint. Um„weißen Flecken“Herr zu werden und insgesamt 97 Schulen sowie andere Bildungseinrichtungen ans Breitbandnetz anzuschließen, hat der Kreis Förderanträge für 15 Städte und Gemeinden gebündelt, die zwischenzeitlich bewilligt wurden. Das Volumen: 32,1 Millionen Euro. „Der Vergabeprozess läuft“, sagt Kreis-Sprecherin Ruth Keuken, die die konkreten Ergebnisse aus dem „Digi-Kompass“jedoch nicht kommentieren will.
„Die Digitalisierung lässt sich nur vorantreiben, wenn es keine Bremsklötze gibt“Andreas Henseler
IHK Kleve