US-Fonds hält drei Prozent an Thyssenkrupp
Michael Vassiliadis, Chef der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE), kritisiert die Romantisierung der Hambach-Aktivisten.
der Rechnung zu bezahlen.
Erleben wir eine Art Staatsversagen im Hambacher Forst? Immerhin werden jetzt wieder Baumhäuser gebaut.
Vassiliadis Der Staat muss sich die Frage gefallen lassen, ob er solche rechtsfreien Räume zulässt. Selbstverständlich können und müssen wir darüber streiten, wie radikal oder balanciert wir unsere Energieversorgung umbauen. Nur ist das alles leider viel komplexer, als es die Szenerie im Hambacher Forst suggeriert. Dass Aktivisten, die einenWald mit Baumhäusern zubauen, romantisiert werden, ist schon schräg. Dadurch ist er nicht einmal mehr für die gern bemühten 36 verbliebenen Fledermaus-Paare noch ein adäquater Rückzugsraum.Wenn die Aktivisten nun wieder jahrelang Zeit haben, sich neu einzurichten, dann erleben wir das gleiche Spiel noch einmal. Ich habe nichts gegen Proteste. Aber was sich dort abspielt, hat eine neue Qualität.
Haben Sie Angst vor einer Form von Öko-Terrorismus?
Vassiliadis Nein. Aber die Gewaltbereitschaft, die dort mitunter zu finden ist, ist schon erschreckend. Es gibt da eine Szene, die in ganz Europa hervorragend vernetzt ist und nicht davor zurückschreckt, dass Menschen zu Schaden kommen. Die Aktivisten haben doch jetzt erreicht, was sie wollten. Im Endeffekt könnten sie alle nach Hause gehen. Gerodet werden darf ja erst einmal nicht mehr. Also: Was soll das jetzt?
RWE hatte ein Drohszenario aufgemacht, ein Rodungsstopp werde die Versorgungssicherheit gefährden, produziert jetzt aber fröhlich weiter. Ein Fehler?
Vassiliadis Das wird die Zeit zeigen. Eine Reduktion der Förderung, wie sie derzeit vorgesehen ist, bedeutet ja keinen kompletten Stopp der insgesamt 15 Prozent, die die Hambacher Kraftwerke zur Energieversorgung in NRW beisteuern. Wenn wir die Kohle auf einen Schlag rausnehmen würden, wie gerne PR-wirksam von den Grünen gefordert, hätte das nicht nur Folgen für uns, sondern auch für unsere Nachbarländer. In der Kohlekommission haben wir Zahlen zum Thema Versorgungssicherheit gesehen. Danach steht Deutschland heute noch relativ gut da – dank vorhandener Kernenergie und Kohleverstromung. In Belgien beispielsweise sieht das schon ganz anders aus.
Sie selbst sind Mitglied der Kohlekommission. Wie beurteilen Sie den Stand der Diskussion bislang?
Vassiliadis Durch die Vielfältigkeit der Teilnehmer ist die Debatte mitunter anstrengend. Jeder hatte zunächst die Möglichkeit, Gutachten zu präsentieren. Natürlich mit unterschiedlicher Tonalität. Allerdings gehört zu den Annahmen aller Gutachter, dass wir unsere Ausbauziele bei Erneuerbaren und Netzen erreichen. Genau das ist aber nach derzeitigem Stand höchst fraglich.
Die Regierung hat doch gerade erst einen Gesetzentwurf für den schnelleren Netzausbau in die Ressortabstimmung gegeben. Da scheint sich doch was zu bewegen.
Vassiliadis Naja, wir reden hier von einem Beschleunigungsgesetz, das das Beschleunigungsgesetz aus 2008 beschleunigen soll.Von den geplanten 7700 Kilometern Netzstrecke sind erst 950 Kilometer realisiert. Im letzten Jahr waren es sage und schreibe 30 Kilometer, die neu hinzugekommen sind. Zum Vergleich: Eine Weinbergschnecke legt in einem Jahr 27 Kilometer zurück. Ich wünsche mir beim Netzausbau gerade auch in der Politik mehr Realitätssinn.
Was muss passieren, um die Ausbauziele noch zu erreichen?
Vassiliadis Wir müssen bei den Menschen mehr Verständnis dafür erzeugen, dass die Energiewende auch zu sichtbaren Veränderungen in ihrer Umgebung führen wird. Die Bürger sollten sich bewusst darüber sein, dass der Umstieg auf die Erneuerbaren auch Einschnitte in die Natur mit sich bringt – im Übrigen auch zum Abholzen von Wäldern führen kann. Wenn einem Hausbesitzer ein Windrad vor sein Grundstück gestellt wird, bekommt er keine Entschädigung. Kompensationsregelungen, wie es sie etwa bei Umsiedlungen durch Tagebaue gibt, sollten auch für Erneuerbare gelten.
Bis Ende Oktober will die Kommission Vorschläge machen, wie hoch die Fördermittel für die Reviere ausfallen, bis Dezember soll es einen konkreten Fahrplan für den Ausstieg geben. Halten Sie diesen Zeitrahmen für realistisch?
Vassiliadis Da ist gerade enorm Druck auf dem Kessel. Wir haben viel Zeit damit vertan, länglich Positionen auszutauschen. Am Ende ist es ein ambitionierter, aber möglicher Zeitplan.
Für die Strukturförderung steht eine Summe von 1,5 Milliarden Euro noch in dieser Wahlperiode im Raum. Reicht das aus?
Vassiliadis Erst einmal ist es gut, dass die große Koalition anerkannt hat, dass es da Finanzierungsbedarf gibt, und die 1,5 Milliarden Euro in den Haushalt einstellt. Wenn Sie diese Summe aber auf die drei Reviere aufteilen, merken Sie schnell, dass das bei Weitem nicht ausreicht. Allein für die Überführung der Menschen in neue Jobs muss deutlich mehr Geld bereitgestellt werden. In dem Zusammenhang wird viel zu wenig über die Schaffung guter Industriearbeit gesprochen, stattdessen stehen die Infrastrukturinvestitionen im Vordergrund. Eine neue Autobahn, eine Bahntrasse oder Glasfaserkabel – das sind alles Dinge, die man schnell umsetzen kann und die auch helfen. Damit die Reviere aber nicht abgehängt werden, benötigen wir marktfähige Industrieinvestitionen. DÜSSELDORF (rtr) Wenige Wochen nach dem Aufspaltungsbeschluss von Thyssenkrupp hat die US-Investmentgesellschaft Harris Associates eine Beteiligung von mehr als drei Prozent aufgebaut. Der Investor halte 3,08 Prozent der Anteile, teilte Thyssenkrupp am Montag mit. Die 1976 gegründete Investmentfirma verwaltet ein Vermögen von 139 Milliarden Dollar. Harris ist auch an der Schweizer Bank Credit Suisse beteiligt. Das Fondshaus gilt als aktivistischer Investor, der sich auch mal kritisch zu Wort meldet. Größter Einzelaktionär bei Thyssenkrupp ist die Krupp-Stiftung mit 21 Prozent, gefolgt vom schwedischen Investor Cevian mit rund 18 Prozent. Der US-Hedgefonds Elliott hält nach eigenen Angaben ein größeres Paket, hat aber die Meldeschwelle von drei Prozent nicht überschritten.