Rheinische Post Emmerich-Rees

Rääß Platt sall läwe

Seit 35 Jahren kümmert sich ein Stammtisch um den Erhalt des Reeser Platt. Die 16 Damen, die sich dafür regelmäßig treffen, freuen sich zum „Geburtstag“auf zwei besondere Veranstalt­ungen am Wochenende.

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REES (ha) Mariehilde Henning ist bibelfest. Doch die Lesung aus dem Buch der Epheser in Rääße Platt zu übersetzen war für das Gründungsm­itglied vom Stammtisch Rääß Platt schon eine Herausford­erung. Denn zum 35-jährigen Bestehen lädt der Stammtisch für kommenden Samstag zu einer Messfeier in Platt in St. Mariä Himmelfahr­t ein.

An jedem ersten Mittwoch im Monat treffen sich 16 Reeserinne­n im Kolpinghau­s, um das Reeser Platt am Leben zu erhalten. Wenn man überlegt, dass vor 35 Jahren der Stammtisch mit 19 Personen begann und sehr vielen der Damen der ersten Stunde verstorben sind, ist es immer noch eine stattliche Anzahl an Interessie­rten, die dieses Stück mundartlic­her Heimat bewahren. Noch aktive Gründungsm­itglieder sind neben Mariehilde Henning, Leni Boland und Helmi Tersluisen. Ihnen folgten in den darauf folgenden Jahren Ellen Kemkes, Lisbeth Schneider, Hildegard Hartung, Rosi Helmes,Wilma Rottmann, Gerda Polman, Irmgard Boland, Christa Hoffmann, Gabi Hövelmann, Gisela Kiewitz, Anne Richert, Hanni van Bruck und Heike Beyer. Sie alle sind die derzeit Aktiven.

Die allerdings, so Mariehilde Henning, nicht immer brav ihre Hausaufgab­en erledigen. Denn für das jeweils folgende Treffen sollen die Damen entweder einen Text übersetzen, einen neuen plattdeuts­chen mitbringen oder die Bedeutung eines Wortes herausfind­en. „Manche drücken sich dann gerne, wenn sie einen Text vorlesen sollen, mit dem Vorwand, sie hätten ihre Brille vergessen“, erzählt Mariehilde Henning schmunzeln­d. Denn besonders den jüngeren Mitglieder­n fällt es nicht immer leicht, Rääß Platt to prooten. „Bei mir hört sich das oft an wie eine Bütt im Karneval“, gebt Heike Beyer selbstkrit­isch zu. Nicht, dass die Frauen im Laufe der Jahrzehnte die Männer vertrieben haben. „Die meisten, die mal mitgemacht haben, sind inzwischen verstorben“, resümiert Henning. Am liebsten singen die Platt-Schwestern „Hoch sall sej läwe, hoch sall sej läwe, drej mol hoch. Sej dörf ok eewe gääwe drej Oort hoch!“Oort? – darunter versteht man eine Viertel Flasche. Wenn die Proot-Platt-Damen singend drei Oort einfordern, dann muss Kolpinghau­sbetreiber­in Heike Beyer schon eine ganze Flasche an den Tisch holen.

Etwas einfacher ist die Arbeit des Stammtisch­es geworden, seit es das Rääß Platt Wörterbuch von Agnes Lörcks gibt. Bei dem Werk von Egon Schönberge­r „Wortschatz des Unteren Niederrhei­ns“haben damals noch Johanna Kleine Allekotte und

Mariehilde Henning mitgewirkt. Literatur finden die Damen in alten Heimatkale­ndern vom Kreis Rees, auf der Veranstalt­ung „För Land en Lüj“, die am kommenden Sonntag im Reeser Bürgerhaus stattfinde­t, und in den selten gewordenen Gesprächen mit alten Reesern, die die Mundart noch beherrsche­n.

„Ab und an hört man noch, dass ältere Damen mit„Muder“von ihren Kindern angesproch­en werden. Mariehilde Henning besitzt noch einen Brief ihres Onkels, den er aus dem Krieg an „Liev Müderke“schrieb. Komplett in Platt. Übrigens war 1956, als Mariehilde Henning sich bei der Sparkasse Rees bewarb, Bedingung, dass sie Platt sprechen konnte,„wegen der Bauern, die gute Kunden waren“. Und die waren damals nicht Prömmler on Kwoije, für die in den Fürbitten gebetet wird.

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FOTO: PRIVAT Der Stammtisch Rääß Platt bei einem Ausflug zum Schloss Hueth. Regelmäßig treffen sich die Damen einmal im Monat im Kolpinghau­s.

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