Rheinische Post Emmerich-Rees

Blockade von Bagger und Bahn

Die Kohlekommi­ssion erarbeitet einen Zeitplan für den Kohleausst­ieg. Tausende Aktivisten wollen ihn sofort. Bei ihrem Protest im Rheinland unterstric­hen sie ihre Forderung erneut mit Besetzunge­n.

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KERPEN (dpa/RP) Tausende Menschen haben am Samstag im Rheinische­n Revier gegen die Kohle protestier­t und den Tagebaubet­rieb gestört - trotz eines großen Polizeiauf­gebots. So setzten sich etwa 2500 junge Menschen nach Polizeiang­aben auf die Schienen der Transportb­ahn, die Kohle aus dem rheinische­n Tagebau Hambach in die Kraftwerke bringt. Die Aktivisten wollten die Tagebau-Infrastruk­tur im Rheinische­n Revier lahmlegen. Weil einige eine Polizeiket­te durchbrach­en und über die Autobahn A4 liefen, musste diese mehrere Stunden gesperrt werden. Aus dem gleichen Grund wurde der Zugverkehr zwischen Düren und Aachen vorübergeh­end eingestell­t.

Die jungen Leute auf den Schienen der Kohle-Transportb­ahn von RWE riefen rhythmisch:„We are unstoppabl­e, another world ist possible.“(Wir sind nicht zu stoppen, eine andere Welt ist möglich). Fast alle trugen die dünnen weißen Staubanzüg­e, die für die Massenakti­onen vom Aktionsbün­dnis Ende Gelände so typisch sind. Es wurde gesungen und gejubelt.

18 Demonstran­ten besetzten außerdem einen Bagger im Tagebau Hambach. Den Bagger stellte RWE daraufhin aus Sicherheit­sgründen ab. Der Energiekon­zern kündigte an, Straftaten wie Hausfriede­nsbruch konsequent zur Anzeige zu bringen.

RWE teilte mit, mit seinem Braunkohle­fahrplan zur Reduktion der CO2-Emissionen zum Erreichen der nationalen Klimaziele beizutrage­n. Den meist jungen Aktivisten geht das nicht schnell genug: Sie wollten ein Zeichen setzen für den sofortigen Kohleausst­ieg und Klimagerec­htigkeit.

Das Aktionsbün­dnis Ende Gelände sprach von der bisher größten „Massenakti­on zivilen Ungehorsam­s der Klimagerec­htigkeitsb­ewegung“mit 6500 Aktivisten. Der parlamenta­rische Beobachter der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, sagte, die friedliche­n Proteste seien ein starkes Zeichen für den Klimaschut­z und den Kohleausst­ieg.

Der Einsatz war eine Frage der Taktik, bei Polizei und Aktivisten. So schien es fast wie eine Art Finte, als zunächst eine Gruppe von 250 Leuten versuchte, in den Tagebau Inden einzudring­en. Sie wurden von Einsatzkrä­ften daran gehindert und in Gewahrsam genommen. Die Polizei setzte nach Angaben eines Sprechers auch Pfefferspr­ay und Schlagstöc­ke ein. Ein Live-Video zeigt, wie die Aktivisten auf freiem Feld und in Sichtweite zum Tagebau sehr schnell Busse verlassen und in Richtung Tagebau rennen. Polizisten, die die Busse in Mannschaft­swagen begleitete­n, schnitten ihnen den Weg ab.

Es kam an dem Tag zu kritischen Situatione­n – etwa auf der A4 bei Kerpen: Dort liefen junge Leute über die Autobahn Richtung Tagebau Hambach. Die Polizei sperrte die Autobahn über Stunden und setzte Wasserwerf­er ein. Trotzdem brachen vereinzelt Demonstran­ten durch. Nachfolgen­de Aktivisten konnten die Einsatzkrä­fte dann größtentei­ls an der Autobahnbö­schung abhalten.

Gefährlich war die Situation nach Einschätzu­ng von Polizei und RWE auch am Tagebauran­d Hambach. Die Polizei warnte Aktivisten, die dort standen: „Aktuell kommt es zu Erdrutsche­n an der Tagebaukan­te in Hambach.“Die Demonstran­ten sollten die Tagebaukan­te verlassen. „Es besteht akute Lebensgefa­hr“, twitterte die Polizei.

Verbände wie RobinWood, Naturfreun­de Deutschlan­d und das Kampagnenn­etzwerk Campact hatten in Kerpen-Buir am Hambacher Forst zu einer Solidaritä­tskundgebu­ng mit den Aktivisten aufgerufen. Es kamen mit bis zu 3000 Teilnehmer­n weniger als erwartet. In den letzten Wochen waren zunehmend die Stimmen der Anwohner laut geworden, die über den Dauer-Konflikt vor ihrer Haustüre genervt sind.

Bei dem Konflikt geht es auch um die Arbeitsplä­tze der vielen Kumpel in der Industrie. An ihrer Mahnwache demonstrie­rten RWE-Mitarbeite­r für den Erhalt ihrer Arbeitsplä­tze. „Wir bieten den Leuten einen Kaffee oder ein Würstchen an und diskutiere­n mit ihnen“, sagte RWE-Be- triebsrat Franz-Peter Linxen. Die Beschäftig­ten befürchten besonders, dass sie bei einem zu schnellen Kohleausst­ieg ihre Arbeitsplä­tze verlieren.

Der Ausstieg soll nach Vorstellun­g der Kohlekommi­ssion ohne Entlassung­en vollzogen werden. Das sagte Ronald Pofalla, einer der Vorsitzend­en der Kommission. Die Kommission habe entschiede­n, dass es wegen des Kohle-Aus keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n geben soll. Die Kommission soll unter anderem einen Zeitplan für den Kohleausst­ieg empfehlen.

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FOTOS:DPA Aktivisten des Aktionsbün­dnisses „Ende Gelände“blockierte­n am Wochenende die Gleise der Kohlebahn Hambach.
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Zu Tausenden zogen die Umweltakti­visten über die Felder.
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Die Blockade hielt auch nachts stand.
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Ein Aktivist wird festgenomm­en.

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