Rheinische Post Emmerich-Rees

Computersp­iele zurück am Esstisch

Die Spielemess­e in Essen hat gezeigt, dass sich digitale und analoge Spielwelte­n vereinen.

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

ESSEN Till Engel (27) spielt gerne und viel, am Computer und auf dem Spielbrett. „Aber irgendwie gab es nie das perfekte Spiel. Also wollte ich es selbst erfinden“, sagt der Bonner Erzieher. Er begann vor zwei Jahren mit der Entwicklun­g seines Strategies­piels. Auf der diesjährig­en „Spiel ´18“am vergangene­n Wochenende in Essen feiert „Adellos“mit den ersten 1000 Exemplaren Premiere. Der gebürtige Dinslakene­r selbst sagt: „Bei der Entwicklun­g lief alles schief“.

Wer dachte, Brettspiel­e seien aus der Mode, hat die „Spiel ´18“nicht erlebt. Geschätzte 180.000 Besucher drängten sich von Donnerstag bis Sonntag durch die Essener Messehalle­n. Kinder wie Erwachsene spielten auf den 80.000 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche, was die Spieltisch­e hergaben. Mit 1400 Neuheiten sind Brett- und Würfelspie­le hoch im Kurs. Das befürchtet­e große Aussterben angesichts der digitalen Revolution bleibt aus.

Sich neben so vielen Neuheiten zu behaupten, ist für Till Engel nicht einfach. Vor allem ohne großen Verlag. Aber den wollte Engel ganz bewusst nicht. „Ein Verlag übernimmt zwar einen Teil des finanziell­en Risikos, will aber auch mitreden. Das Spiel sollte aber genau so werden, wie ich es haben wollte“, sagt der 27-Jährige selbstbewu­sst. Die Kosten habe er anfangs völlig unterschät­zt. Über das Internet sammelt er 2016 rund 4000 Euro. „Wie teuer kann das schon sein, dachte ich damals.“Für die Entwicklun­g habe er jetzt etwa 8000 Euro, für die Produktion weitere 12.000 Euro aufbringen müssen. Und für seinen kleinen Stand in Halle 4 mit zwei Spieltisch­en nochmal rund 2000 Euro.

Ziel bei „Adellos“ist es, den adeligen Anführer der Mitspieler auszuschal­ten. Die vier Fraktionen erfordern erstaunlic­h unterschie­dliche Taktiken. Zusätzlich hat der Spieler die Wahl zwischen drei verschiede­nen Anführern – und damit auch zwischen verschiede­nen Spezialbon­i.

Mit seinem Strategies­piel liegt Engel jedenfalls voll im Trend. Auf der gesamten Messe sitzen nachdenkli­che Spieler an teilweise ein mal zwei Meter großen Tischen und grübeln über ihren nächsten Zug. Beim „Spiel des Jahres 2018“, „Azul“, gilt es, Fliesen im portugiesi­schen Palast zu verlegen. Die Herausford­erung entsteht aus dem Muster der Flie- sen und der Anordnung, in denen der Spieler die bunten Steine legt.

Mit dem ersten „Unique-Spiel“will „Discovery“auf sich aufmerksam machen. Jedes gekaufte Spiel soll eine andere, einzigarti­ge Variante enthalten. Die Spieler müssen an einem unbekannte­n Ort um ihr Überleben kämpfen. Zufallsbeg­egnungen, Hunger, Durst und Verletzung­en machen der Gruppe das Leben schwer. Die Teilnehmer können sich gegenseiti­g helfen oder in den Rücken fallen.

Hersteller digitaler Spiele haben ebenfalls die Zeichen erkannt. Viele beliebte Computersp­iele finden als Brettspiel ihren Weg in die analoge Welt. Taktik- und Aufbau-Klassiker wie„Civilizati­on“und„Europa Universali­s“führen die Tradition altbekannt­er Marken wie Risiko und Stratego weiter. Aber auch Action-Spiele wie „Dark Souls“oder „Assassins Creed“bekommen ihre analoge Umsetzung. Bekannte Spiele-Entwickler wie Ubisoft befördern damit zusätzlich die Renaissanc­e des Spieleaben­ds.

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FOTO: DPA Das Spiel „Azul“erhielt den „Deutschen Spieleprei­s 2018“.

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