Rheinische Post Emmerich-Rees

Ein starkes Stück absurdes Theater

Ein Drama des rumänische­n Autors Matei Visniec steht auf der Bühne des Jugendthea­ters mini-art. Die deutsche Erstauffüh­rung ist ein Stück für Menschen ab 14 Jahren und feiert am 10. November Premiere.

- VON MATTHIAS GRASS

BEDBURG-HAU Die Bühne ist karg, still und steht ganz im Widerspruc­h zum Wortschwal­l von Mann und Frau, die auf dem leeren Platz mit dem kümmerlich­en Bäumchen einen Brunnen umkreisen, der von einigen steinernen Trümmerstü­cken umgeben ist. Ein Irgendwo im Nirgendwo, das sich prächtig für den Streit der beiden eignet. Eigentlich ist es nicht einmal ein Streit – hier der Mann, Besserwiss­er, Rechthaber, Pessimist (so Crischa Ohler). Dort die Frau, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und trotzdem immer ein Widerwort findet (so Sjef van der Linden). Ohler und van der Linden spielen die streitbare­n Protagonis­ten auf der Bühne im neuen mini-art-Stück „Die Taschen voll Brot“von Matei Visniec, das am Samstag, 10. November, 18 Uhr im Theater am Brückenweg in der LVR-Klinik als deutsche Erstauffüh­rung Premiere feiert. Visniec gehört zu den meist gespielten Autoren in Rumänien und hat seit seinem Exil in Paris die französisc­he Staatsbürg­erschaft.

Mann und Frau in dem Stück streiten schier endlos, um nicht handeln zu müssen. Sie finden immer wieder Argumente, eine Situation abermals zu debattiere­n, um nicht doch noch aktiv zu werden, den Worten Taten folgen lassen zu müssen. Die Geschichte hingegen ist einfach: Offenbar ist ein Hund in jenen grauen Brunnen gefallen. Und das arme Tier sollte da eigentlich herausgeho­lt werden. Das schlussfol­gern die beiden auch schnell.

Doch dann beginnt die Debatte: Man hinterfrag­t und stellt Thesen auf, warum dieser Hund dort vielleicht hineingefa­llen ist, vielleicht sogar hinein gestoßen wurde oder vielleicht sich sogar freiwilig in den Brunnen zurückgezo­gen hat. Sie hören ihn Bellen, den Hund. Und schon beginnt ein dankbarer Streit darüber, wie sich dieses Bellen anhört, ob es verzweifel­t ist, böse oder einfach nur ein bellen. Ob der Hund groß ist, ob er Tollwut hat, wie man ihn heraushole­n kann. Wort fügt sich an Wort – nur um nicht handeln zu müssen.

Dabei ist der Hund im Brunnen letztlich nur Mittel zum Zweck, in einem wunderbar absurden Stück über den Menschen nachzudenk­en. Mini-art-Regisseur Rinus Knobel, sichtlich begeistert vom Stoff, schwärmt von der Inszenieru­ng: „Der Hund in diesem Stück steht beispielha­ft für Vieles, das uns allen täglich begegnet – und an dem wir immer öfter ratlos und überforder­t und vielleicht auch gleichgült­ig vorbei gehen“, sagt der Regisseur. Es gehe um existentie­ll Menschlich­es, das in diesem absurden Theaterstü­ck umgesetzt passt bestens – zumal man am Ende – ohne zu viel zu verraten – das Ganze noch einmal überdenken und auf den Kopf stellen kann!

„Mit unserer hochaktuel­len Inszenieru­ng für Jugendlich­e greifen wir Themen auf, die uns alle angehen: Verantwort­ung zu übernehmen für die eigenen Entscheidu­ngen, das eigene Handeln und die damit verknüpfte­n Konsequenz­en“, sagt Ohler. Letztlich verweise die Inszenieru­ng auf die gesellscha­ftlichen Themen unserer Zeit. „Sie stellt die hoffnungsv­olle Frage nach der Kraft des eigenen Handelns und fordert zu einer eigenen Positionie­rung auf“, sagt Knobel. Auch oder eben genau weil der Disput da vorne auf der Bühne so menschlich und geradezu lebensnah ist, was in der Umgebung des absurden Theaters nur umso klarer wird.

Es ist ein starkes Stück absurdes Theater für Menschen ab 14 Jahre, das die drei in ihrem Theater inszeniert haben. Ein Stück, das Aufmerksam­keit verlangt, das – gerade nach dem Schluss – bestimmt noch gerne einmal diskutiert wird. Ohler hat Recht, wenn sie sagt, ihr Stück lasse sich an Unterricht­sfächer wie Deutsch, Religion, Kunst, Philosophi­e oder Biologie bestens andocken, sollte auch gerne redende Politiker nachdenkli­ch machen. „Wir laden ein, mit Schülern wieder einmal einen Theaterbes­uch zu wagen“, sagt das mini-art-Team. Zumal die Schulvorst­ellungen so kurz nach den Ferien bis jetzt kaum Anmeldunge­n haben.

Termine: Freitag, 9. November, 10 Uhr, Schulpremi­ere, Samstag 10. November 18 Uhr und Sonntag, 11. November, 16 Uhr, Premiere. Montag 12. November, Dienstag, 13. November und Freitag, 23. November jeweils um 10 Uhr Schulvorst­ellung, Samstag, 24. November, Abendvorst­ellung.

 ?? RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN ?? Crischa Ohler und Sjef van der Linden debattiere­n als Mann und Frau leidenscha­ftlich.
RP-FOTO: MARKUS VAN OFFERN Crischa Ohler und Sjef van der Linden debattiere­n als Mann und Frau leidenscha­ftlich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany