Ein Spiel mit verdeckten Karten
Würden Sie mit 57 oder 60 Jahren noch arbeiten, wenn Sie es nicht müssten? Für die Parteien in Emmerich und Rees geht es bei ihren Kandidaten genau um diese Frage.
Eigentlich kann einer Stadt nichts besseres passieren als ein Bürgermeister, der wirtschaftlich ganz unabhängig ist und nicht auf seinen Job angewiesen ist. Er kann frei entscheiden, niemand kann Druck auf ihn ausüben. Wenn ihm die Parteien übel mitspielen wollen, wirft er ihnen eben die Brocken vor die Füße.
Theoretisch jedenfalls. Aber es ist exakt diese Unabhängigkeit, die in Emmerich Peter Hinze von der SPD und in Rees Christoph Gerwers von der CDU so stark machen. Peter Hinze muss in zwei Jahren nicht mehr für seine Partei antreten. Er hat als ehemaliger Luftwaffenoffizier seine Pension schon seit 2015 sicher. Fünf Jahre als Bürgermeister lassen sie weiter anwachsen. Mit 60 könnte Hinze Schluss machen. Und seine SPD könnte ihm nicht einmal einen Vorwurf machen, denn er ist drei Mal für sie angetreten, hat zwei Mal verloren - und vor dem Wahlsieg haben ihm im Prinzip auch viele Genossen einfach dafür gedankt, dass er noch mal in den nicht zu gewinnenden Wahlkampf eingestiegen ist.
Aber dann kam es ja ganz anders – und der Beinahe-Pensionär nahm die Wahl zum Bürgermeister an. Rathaus statt Ruhestand...
Emmerichs Bürgermeister hat sich in dieser Woche natürlich nicht dazu geäußert, ob er in zwei Jahren noch einmal antritt. Hätte er natürlich machen können. Aber die Frage ist eben, ob er sich mit 60 Jahren noch einmal die Arbeit antun will. Er muss es ja nicht. Und so wie ich Peter Hinze in den vergangenen Jahren kennengelernt habe, ist er niemand, der für Zufriedenheit und Glück ein machtvolles Amt braucht. Aber wer weiß. Vielleicht macht ihm die Arbeit ja auch so viel Spaß, dass er sie nicht missen will. Im Rathaus jedenfalls duzt sie ihren Chef, gelobt wird die ruhige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit ihm.
In Rees ist die Lage anders. Dort leitet ein 55-Jähriger das Rathaus, der offen bekundet hat, sich auch höhere Aufgaben als die eines Bürgermeisters vorstellen kann. Christoph Gerwers war trotz seiner Wiederwahl gedanklich auf dem Absprung Richtung Bundestag in Berlin. Die Mitglieder zogen allerdings einen anderen Kandidaten vor.
Auch Gerwers könnte in zwei Jahren den Job an den Nagel hängen. Mit 57 dürfte auch seine Pension ausreichend sein. Allerdings ist der Mann ein vitaler Verwaltungsjurist mit Temperament. Schwer vorstellbar, dass er sich in verhältnismäßig jungen Jahren der Rosenzucht hergibt.
Deshalb entbehren die Gerüchte um ihn nicht einer gewissen Lo- gik. Gerwers als Landratskandidat? Warum nicht. Das allerdings entscheidet der Kreisverband der CDU. Gerwers ist dort stellvertretender Vorsitzender. Erhöht das seine Chancen? Eine Sache ist klar – und darauf wird die CDU großen Wert legen. Sollte Gerwers in Rees nicht mehr antreten wollen, muss im kommenden Jahr ein fähiger Kandidat präsentiert werden. In Haldern wohnt nämlich ein SPD-Mitglied, das bereits fünf Jahre Landtagsabgeordneter war und berufliche Erfahrungen in einem Ministerium, in der Staatskanzlei in Düsseldorf und bei der EU in Brüssel gesammelt hat. Die Rede ist von Bodo Wißen (Jahrgang 1974). Die SPD hat ihn schon mal als ihren Kandidaten für das Amt des Landrates aufgestellt. Als Bürgermeisterkandidat in Rees würde er mit Sicherheit keine schlechte Figur abgeben.
Natürlich haben sich in dieser Woche Amtsinhaber oder mögliche Kandidaten nicht in die Karten gucken lassen. Aber das müssen sie auch nicht. Denn zu früh sollte man sich in der Politik einfach nicht festlegen. Aber richtig ist auch: Weder Peter Hinze noch Christoph Gerwers haben mit einem klaren Ja auf die Frage geantwortet, ob sie in 2020 noch einmal antreten möchten.