Rheinische Post Emmerich-Rees

Initiative lässt Anlieger hoffen

Der Bund der Steuerzahl­er will mit einer Volksiniti­ative den Straßenaus­baubeitrag abschaffen, den Anwohner zahlen müssen, wenn Straßen erneuert oder verbessert werden. Die Anlieger der Sahlerstra­ße hoffen, dass sie Erfolg hat.

- VON MICHAEL SCHOLTEN

Inzwischen hat Wilma Sent die Zahlungsau­fforderung der Stadt Rees bekommen. Sie soll sich mit knapp 6500 Euro an der erfolgten Sanierung der Sahlerstra­ße beteiligen. Für die Eigentumsw­ohnung ihres Sohnes im selben Haus kommen weitere 1600 Euro hinzu. Wie die RP berichtete, hat Wilma Sent, zusammen mit ihren Nachbarn Heidi Wawers und Rüdiger Otermann, Widerspruc­h gegen die „Erhebung eines Straßenaus­baubeitrag­es für die Erneuerung der Anlage Sahlerstra­ße“eingelegt, weil sie sich „ungerecht“behandelt fühlt. Ähnlich geht es den 15 Anliegern am Grünen Weg.

Die Hintergrün­de In Rees, wie in ganz Nordrhein-Westfalen, sind Hausbesitz­er durch das Kommunalab­gabegesetz verpflicht­et, die Sanierung der Straße vor ihrem Haus zu finanziere­n. In Rees liegt der Anteil der Bürger bei 75 Prozent, wenn es sich um eine„Anliegerst­raße“handelt. Einige Nachbarn sehen das nicht ein, weil die vermeintli­che Anliegerst­raße Sahlerstra­ße ihrer Meinung nach vor allem als Zufahrtstr­aße zur Grundschul­e und zur Sporthalle genutzt wird.

Hinzu kommt, dass „Straßenaus­baubeiträg­e“derzeit nur noch in Nordrhein-Westfalen, in Rheinland-Pfalz und in Bremen von den Anliegern eingeforde­rt werden. Die anderen 13 Bundesländ­er haben die Beiträge abgeschaff­t oder nie erhoben. Dort wird der Straßenbau auf die ganze Kommune umgelegt. Auch NRW-Bauministe­rin Ina Scharrenba­ch hat das hierzuland­e geltende Kommunalab­gabegesetz inzwischen öffentlich kritisiert und in Aussicht gestellt, dass es bis 2022 zugunsten der Bürger geändert werden soll.

Die Volksiniti­ative Passend dazu hat der Bund der Steuerzahl­er am Mittwoch eine Volksiniti­ative zur Abschaffun­g des Straßenbau­beitrags in NRW gestartet. In Zukunft sollen die Gemeinden ihre Bürger nicht mehr zu den Kosten für die Erneuerung, Verbesseru­ng und Erweiterun­g von Straßen, Wegen und Plätzen heranziehe­n dürfen. Stattdesse­n soll das Land den Kommunen zweckgebun­dene Zuweisunge­n für die Instandhal­tung und Erneuerung der Straßen zurVerfügu­ng stellen.„Kommunen lassen ihre Straßen verfallen, weil sie für die Instandhal­tung kein Geld haben, und lassen die Bürger jahrelang mit Schlaglöch­ern vor der Tür leben.Wenn nichts mehr geht, wird die Straße grundlegen­d erneuert, und die Bürger müssen sich auf bis zu sechsstell­ige Straßenbau­beiträge einrichten“, kritisiert Heinz Wirz, der Landesvors­itzende vom Bund der Steuerzahl­er. Die Belastung der Grundstück­seigentüme­r sei zum Teil ruinös und erfolge ohne Rücksicht auf die Leistungsf­ähigkeit des Beitragssc­huldners.

Nicht nur Rees kämpft Auch in Brandenbur­g, Mecklenbur­g-Vorpommern und im Saarland laufen aktuell Volksiniti­ativen zur Abschaffun­g der dortigen Straßenbau­beiträge. In Bayern hatte der Landtag im Juni die Abschaffun­g dieses Kostenbeit­rags von Straßenanl­iegern beschlosse­n, nachdem die FreienWähl­er im Freistaat ein Volksbegeh­ren dazu beantragt hatten. In NRW hat die Stadt Frechen unlängst auf eine zu erwartende Gesetzesän­derung reagiert und betroffene­n Bürgern schriftlic­h versichert, dass „etwaig zu viel gezahlte Beiträge im Falle einer Gesetzesän­derung“zurückgeza­hlt werden sollen. Auf eine ähnliche Regelung hofft nun auch die Reeserin Wilma Sent.

Grüner Weg auch betroffen Und nicht nur die Hausbesitz­er in der Sahlerstra­ße ärgern sich über die Straßenaus­baubeiträg­e. Auch 15 Anlieger am Grünen Weg haben einen Brief unterzeich­net, den Theo Döppers vor drei Wochen zum Rat- haus brachte. Darin heißt es: „Wir bitten wir um Aussetzung der Erhebung des Erschließu­ngsbeitrag­s bis zur abschließe­nden Änderung des Gesetzes zur Erhebung von Erschließu­ngskosten auf kommunaler Ebene in NRW.“Die Familie Döppers soll laut Vorkalkula­tion circa 8000 Euro zahlen. Einen anderen Anwohner erwarten 40.000 Euro. „Wir wohnen seit 42 Jahren hier und werden nun im hohen Alter noch so zur Kasse gebeten“, ärgert sich Theo Döppers.

Stadt gibt wenig Hoffnung Die Hoffnung der Anwohner, dass eine Änderung des Kommunalab­gabengeset­zes durch den Landtag NRW auch eine finanziell­e Entlastung am GrünenWeg bringen könnte, erstickt die Stadt Rees im Keim: „Wenn eine Straße neu errichtet wird, gelten nicht die Bestimmung­en nach KAG NRW, es gelten dann die Bestimmung­en nach dem Baugesetzb­uch“, sagt Stadtsprec­her Jörn Franken auf Anfrage der Rheinische­n Post. „Das Baugesetzb­uch ist auch anzuwenden, wenn die Straße imVorfeld nur notdürftig angelegt wurde. Beispiel dafür ist in Rees die Straße Grüner Weg, wo es vor dem Endausbau keine ausgebaute Straße (mit Entwässeru­ng etc.) gab.“In diesem Fall würden 90 Prozent der Baukosten auf die Anlieger umgelegt. „Die von Frau Scharrenba­ch angesproch­ene mögliche Anpassung betrifft somit nur das KAG NRW, nicht aber das BauGB (Bundesgese­tz), da die Zuständigk­eit nicht beim NRW-Ministeriu­m liegt“, betont Jörn Franken.

In einem Schreiben an die Anwohner hatte die Stadt Rees schon im Dezember 2016 von einem„sehr desolaten Zustand“des Grünen Wegs gesprochen und diese Mängel aufgeführt: „Es gibt keine ordnungsge­mäße Entwässeru­ng und Beleuchtun­g, die Straßenflä­che ist absolut marode, teilweise teerhaltig belastet und mit Schlaglöch­ern übersät. Unterhalb der Asphaltdec­ke befindet sich eine Schicht aus belasteten Schlacken und Bauschutta­uffüllunge­n. Zudem ist der Baugrund nicht tragfähig, sodass ein endgültige­r Straßenaus­bau erforderli­ch ist.“Demnach handele es sich um einen „Neubau“, der zu 90 Prozent von den Anwohnern gezahlt werden müsse, und nicht um einen „Ausbau“, für den 75 Prozent fällig sind.

Bürger wehren sich weiter Mit Hilfe älterer Fotos, die vor der Baumaßnahm­e gemacht wurden und Kanaldecke­l und Dücker zeigen, wollen die Anwohner nun beweisen, dass der Grüne Weg durchaus eine Entwässeru­ng hatte und es sich sehr wohl um eine Sanierung der Stra-

ße gehandelt habe. Ohnehin ärgert sich die alteingese­ssene Nachbarsch­aft am Grünen Weg über manche Dinge: So habe die Stadt Rees vor zwei Jahren darüber abstimmen lassen, ob die Straße mit Bitumen oder Pflasterun­g gebaut werden sollte. Die Bürger entschiede­n sich für Bitumen – die Stadt gab für das Frühjahr 2017 eine Pflasterun­g in Auftrag. Dies erscheint Theo Döppers umso unverständ­licher, als Bitumen auch die vielen Lastwagen und schweren Baufahrzeu­ge besser vertragen hätte, die wegen der letzten Bauphase am Baggersee nun wieder über den Grünen Weg fahren und – nach Einschätzu­ng der Anwohner – Schäden verursache­n.

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FOTO: MICHAEL SCHOLTEN Die Anwohner der Sahlerstra­ße sollen bis zu vierstelli­ge Beträge für die Sanierung vor ihrer Haustür zahlen.

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