Rheinische Post Emmerich-Rees

Grüne schlagen Pestizid-Alarm

In einer Pilotstudi­e wurden bei jedem zweiten Teilnehmer aus NRW Pestizide im Körper nachgewies­en. Experten zweifeln an der Seriösität der Ergebnisse.

- VON THOMAS REISENER

DÜSSELDORF Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Analyse hat bei jedem zweiten Studientei­lnehmer aus NRW Pestizide im Körper nachweisen können. Der grüne Europaabgb­eordnete Sven Giegold fordert eine Kehrtwende in der Landwirtsc­haft, wo Pestizide als Pflanzensc­hutzmittel zum Einsatz kommen: „Die Landesregi­erung ist dringend aufgeforde­rt, eine andere Form der Landwirtsc­haft zu fördern. Vorrang vor den Interessen der Pestizid-Hersteller und der industriel­len Landwirtsc­haft muss künftig die Gesundheit der Menschen haben.“Experten zweifeln an der Qualität der Grünen-Studie.

Durchgefüh­rt hat sie das Straßburge­r Institut „Kudzu Science“. Die nachgewies­enen Pestizide stehen im Verdacht, das Hormonsyst­em zu schädigen und Krankheite­n wie Krebs, Diabetes, Schilddrüs­en-Fehlfunkti­onen oder Unfruchtba­rkeit zu begünstige­n.

Erste Ergebnisse der europaweit­en Studie, die auf einem neuartigen Haartest beruht, hatten die Grünen Anfang November veröffentl­icht. Bei 148 Haarproben aus sechs europäisch­en Ländern, die auf 30 Pestizide untersucht worden waren, wurden bei 60 Prozent Spuren von mindestens einem Pestizid nachgewies­en. Nun liegen unserer Redaktion die regionalen Details für NRW vor: Hier war die Hälfte aller 25 Haar-Proben belastet. Die Teilnehmer wohnten sowohl städtisch als auch ländlich und stammten aus sämtlichen Altersgrup­pen.

NRW-Umweltmini­sterin Ursula Heinen-Esser (CDU) sagte zu der Studie: „Wir werden uns die wissenscha­ftlichen Kriterien und die Aussagekra­ft der Ergebnisse genau ansehen.“Pestizide würden aber nicht nur in der Landwirtsc­haft eingesetzt. So sind drei der vier in der Studie am häufigsten nachgewies­enen Stoffe in Deutschlan­d gar nicht als Pflanzensc­hutzmittel zugelassen. Die anderen werden zum Teil als Holz- und Mottenschu­tzmittel eingesetzt. Auf die Frage, ob die Bürger sich beim Einkauf von Lebensmitt­eln Sorgen machen müssen, sagt die NRW-Umweltmini­sterin: „Nein. Lebensmitt­el sind ausgezeich­net untersucht.“Bei Lebensmitt­eln betrage die Beanstandu­ngsquote 0,1 Prozent.

Der Toxikologe Daniel Dietrich von der Universitä­t Konstanz kritisiert die Grünen-Studie als„blanken Alarmismus“, schon weil die Daten nicht repräsenta­tiv seien. Er ver- weist auf andere Untersuchu­ngen, denen zufolge rund 98 Prozent der in Europa produziert­en Lebensmitt­el die gesetzlich­en Grenzwerte für Pestizidbe­lastung einhalten.

Dazu sagt Giegold: „Bisher wurde die langfristi­ge Belastung von so vielen hormonverä­ndernden Pestiziden und von einer so großen Menge von Menschen im europäisch­en Vergleich nicht durchgefüh­rt.“Er spricht von einer „Pilotstudi­e“, die Anlass für eine Folgestudi­e auf breiterer Datenbasis sein müsse.

Newspapers in German

Newspapers from Germany