Rheinische Post Emmerich-Rees

Schon 9300 Kläger gegen Glyphosat

Die Prozesse um den Unkrautver­nichter werden Bayer noch Jahre beschäftig­en, Vergleiche lehnt Bayer-Chef Baumann ab. Die Aktie geht weiter auf Talfahrt. Bei der Mängel-Beseitigun­g im Werk Leverkusen geht es voran.

- VON ANTJE HÖNING

LEVERKUSEN Die Übernahme des US-Konzerns Monsanto will für Bayer keine Erfolgsges­chichte werden. Immer mehr Amerikaner schließen sich den Klagen gegen Monsantos Unkrautver­nichter Glyphosat an. „Bis zum 30. Oktober wurden uns in den USA Klagen von etwa 9300 Klägern zugestellt“, sagte Bayer-ChefWerner Baumann. Darunter seien vor allem Menschen mit dem Non-Hodgkin-Lymphom (Lymphgeweb­e-Krebs). Damit hat sich die Zahl im Laufe des Jahres kräftig erhöht, und dürfte noch größer werden:„Mit weiteren Klagen ist zu rechnen“, so Baumann.

Bayer ist aber weiter überzeugt, dass Glyphosat sicher ist, und will sich mit allen Mitteln gegen Schadeners­atz-Forderunge­n von Anwendern wehren.„Glyphosat ist bei sachgemäße­r Anwendung sicher. Das bestätigen mehr als 800 wissenscha­ftliche Studien“, so Baumann. Zugleich kündigte er an: „Wir beabsichti­gen, uns in allen Verfahren entschiede­n zur Wehr zu setzen.“

Zum einen gibt es Einzelkläg­er. In einem ersten Verfahren hatte eine Jury dem Schul-Platzwart Dewayne Johnson unlängst 78 Millionen Dollar zugesproch­en. Bayer will nun Berufung vor dem California Court Appeal einlegen, bei dem Richter und keine Geschworen­en entscheide­n, und bereitet aktuell den Schriftsat­z vor. Bis zu einem endgültige­n Urteil könnte es laut Baumann 2021 werden.

Zum anderen gibt es eine Massenverf­ahren (Mass Tort Litigation), in dem 600 Klagen gebündelt waren. Hier ist ein Ende noch nicht abzusehen. Die Kläger setzen vor allem auf die Einschätzu­ng der Weltgesund­heitsorgan­isation: Die hatte Glyphosat 2015 als„wahrschein­lich krebserreg­end“eingestuft.

Von außergeric­htlichen Vergleiche­n will Baumann nichts wissen. „Über Einzelverg­leiche nachzudenk­en, verbietet sich.“Allenfalls könnte man „am Ende des Glyphosat-Komplexes über betragsmäß­ige niedrige Vergleiche“nachdenken, um die Verfahren zum Abschluss zu bringen. Die Anleger überzeugte das nicht. Die Bayer-Aktie legte zunächst zu, weil der Gewinnrück­gang im dritten Quartal ausblieb. Doch dann ging es kräftig abwärts auf 66 Euro, den tiefsten Stand seit sechs Jahren. Die Image-Probleme von Monsanto würden durch die ge-

Zahl der Glyphosat-Klagen

5200

7,7

1,95

8700

Umsatz

9,9

0,25

Gewinn

2,2

9300

2,2 stiegene Zahl der Klagen nicht geringer, sagte Analyst Sven Diermeier von Independen­t Research. Die mit den Klagen verbundene­n finanziell­en Risiken seien enorm.

Im dritten Quartal ist Monsanto erstmals komplett in Bayers Bilanz enthalten: Der für 59 Milliarden Euro übernommen­e US-Konzern trug 255 Millionen Euro zum Gewinn (Ebitda) von 2,2 Milliarden Euro bei. Allerdings macht Monsanto den Großteil seines Gewinns im Frühjahr vor der Aussaat. Mit den neuen Kollegen kommt Bayer nun auf 118.000 Mitarbeite­r.

Doch Monsanto ist nicht die einzige Baustelle des Konzerns. Zwar legte der Gewinn im Geschäft mit verschreib­ungspflich­tigen Arzneien (Pharmaceut­icals) zu. Vor allem das Schlaganfa­llmittel Xarelto ließ die Kasse klingeln. Nach drei Quartalen stehen in der Division 4,3 Milliarden Euro Gewinn zu Buche. Doch im Geschäft mit rezeptfrei­en Arzneien (Consumer Health) schmilzt der Gewinn immer weiter – trotz des Chefwechse­ls. Auch bei der Tier-Medizin brach der Gewinn ein. Baumann ließ offen, ob Bayer das Geschäft verkaufen will. Ebenso äußerte er sich nicht zu einem Verkauf des Bayer-Anteils am Chemiepark Currenta:„Zu Spekulatio­nen äußern wir uns nicht.“Insgesamt steht bei Bayer nach drei Quartalen nun ein Gewinn von 7,4 Milliarden Euro, ein Prozent weniger als im Vorjahr.

Der Rückgang ist auf Währungsef­fekte, aber auch auf Schlampere­ien im Pharmawerk Leverkusen zurückzufü­hren, für die Bayer einen Warnbrief der US-Aufsicht FDA erhalten hatte. Bei der Beseitigun­g der Mängel sei man im Plan. Die Arbeiten führen zu Lieferausf­ällen bei Canesten, Levitra und Adalat Oros. 2019 wolle die FDA eine Re-Inspektion in Leverkusen vornehmen, so Baumann.

Am 5. Dezember will Baumann zurück in die Offensive: Dann will der Krefelder auch sagen, wie er die Pharma-Forschung verbessern und wo er sparen will. Bei dem Projekt „Superbowl“sind auch Stellenstr­eichungen nicht ausgeschlo­ssen.

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L R FE : IK QU AF EL GR LE: || BAY NG ER|FOTO: HÖNI

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