DFB-Elf schenkt Oranje den Gruppensieg
Bis zur 85. Minute führt die deutsche Nationalmannschaft gegen die Niederlande 2:0 und liefert das vielleicht beste Länderspiel des Jahres ab. Am Ende gibt es dennoch nur ein enttäuschendes 2:2.
GELSENKIRCHEN Es kommt vor, dass bei Schalker Bundesligaspielen das Arenadach geschlossen werden muss, damit die gesunde Nachtruhe der Anwohner nicht gestört wird. Am Montagabend blieb es geschlossen, damit zumindest die gröbsten Einflüsse des nasskalten Novemberwetters das Publikum beim Fußballgenuss nicht störte. Der Geräuschpegel blieb ohnehin in eher gedeckten Bereichen, obwohl sich auf dem Rasen die alten Rivalen Deutschland und die Niederlande in einem Länderspiel gegenüberstanden. Da ging es in der Vergangenheit auch schon mal lauter zu. Zum Abschluss des Länderspieljahres trennte sich die DFB-Auswahl in ihrem letzten Nations-League-Spiel von den Niederlanden 2:2 und schenkte ihren Gästen so nach einer 2:0-Führung noch den Gruppensieg.
Bis zur 85. Minute hatte dieses Ergebnis Bestand, doch dann machten die späten Treffer von Quincy Promes und Virgil van Dijk alle positiven Eindrücke der Zeit zuvor zunichte. Die Deutschen hatten die Möglichkeit auf eine bessere Platzierung bei ihren Niederlagen in Frankreich (1:2) und Holland (0:3) ohnehin bereits verpasst. Sie steigen als Gruppenletzter in die B-Liga ab.
Bundestrainer Joachim Löw empfindet das nicht als Drama. Das sagte er bereits nach dem 3:0-Erfolg über Russland im Leipziger Testspiel. „Dann steigen wir eben wieder auf. Wichtiger ist die Qualifikation für die Europameisterschaft. Und die werden wir schaffen.“
Die Vorbereitung auf die Qualifikationsspiele im kommenden Jahr hat spätestens mit dem Russlandspiel begonnen. Gestern setzte sich das fort. Diesmal hatte Löw seine Routiniers Toni Kroos (28) und Mats Hummels (29) zurück in die Startelf geholt. Trotzdem blieb es beim gegen die Russen bewährten taktischen Konzept, bei Ballgewinn mit Höchstgeschwindigkeit in den Angriff zu kommen. Dort durften sich wieder Serge Gnabry (23), Timo Werner (22) und Leroy Sané (22) tummeln. Deren Fähigkeiten zum Tempospiel haben sich ja inzwischen herumgesprochen.
Sicher auch bei den Holländern. Trotzdem ließen sie sich früh zweimal überraschen.Werner sorgte mit einem trockenen Schuss von der Strafraumgrenze für die 1:0-Führung, Sané baute sie locker aus, als er mit links flach ins Eck traf. Als Vorbereiter hatte Kroos zweimal die Füße mit im Spiel. Dass die Deutschen der holländischen Abwehr Probleme bereiten konnten, lag allerdings nicht nur an den Spitzen, die mit ihren Läufen in die Tiefe den Passgebern aus dem Mittelfeld entsprechende Räume anboten. Es lag auch an Nico Schulz, der als Links-
Deutschland – Niederlande Deutschland: Neuer - Süle, Hummels, Rüdiger - Kehrer, Kimmich, Kroos, Schulz - Sané (80. Goretzka), Gnabry (67. Müller), Werner (63. Reus). Niederlande: Cillessen - Tete, de Ligt, van Dijk, Blind - de Roon, de Jong, Wijnaldum (60. Vilhena) - Promes, Depay, Babel (45. Dilrosun/66. de Jong).
Schiedsrichter: Hategan (Rumänien).
Zuschauer: 42.186. Tore: 1:0 Werner (9.), 2:0 Sané (19.), 2:1 Promes (85.), 2:2 van Dijk (90.+1).
Gelbe Karten: Hummels, Kroos, Kimmich / Wijnaldum. außen in einem Vierermittelfeld ordentlich Drang nach vorn entwickelte.
Darüber hinaus war den Gästen anzumerken, dass sie offenbar viel ihrer mentalen Kraft in der Nations League gelassen haben. In diesem Wettbewerb schnitten die ebenfalls im Neuaufbau befindlichen Holländer denkbar besser ab als Löws Team. Gegen die Deutschen leisteten sie sich Konzentrationsmängel, die man beim 2:0-Sieg über Frankreich nicht gesehen hat. Mit ihrem Schlussspurt machten sie das allerdings entscheidend wett.
Die DFB-Auswahl wirkte nach der Pause vorsichtiger und überließ den Niederländern das Spiel. Deshalb gab es gegen aufgerückte Holländer natürlich Kontergelegenheiten. Eine davon vergab der ansonsten starke Werner, der auf Zuspiel von Gnabry den Ball am Tor vorbeischob.
Inzwischen war die Wechselzeit angebrochen. Auch Thomas Müller (29) durfte das Durchschnittsalter der Mannschaft noch ein bisschen heben. Er löste Serge Gnabry ab. Müller machte sein 100. Länderspiel. Zuletzt sah es nicht so aus, als sollten noch unheimlich viele folgen. Aber vielleicht wird er als guter Geist der Truppe noch ähnlich wertvoll wie der späte Lukas Podolski. Und sein elegantes Zuspiel auf Reus brachte beinahe das dritte Tor. Aber Sané verschluderte den Querpass von Reus – und dann kam die große Wende.